— 241 —
der Unehrlichkeit, der Lüge und Korruption. Die Thatsachen
werden falsch oder entstellt, einseitig, unvollständig erzählt, die
Urteile und Schlüsse werden falsch gezogen, in der Annahme,
die sich auch bewährt, dass die Leser und Hörer nicht kon-
trollieren. Zugleich werden alle schlimmen Triebe in der Volks-
seele geweckt und gesteigert. Planmässig wird hervorgehoben,
was die Menschen trennt und entfremdet, weil sie keine Liebe
haben sollen, als zur Partei, weil jede andere Anhänglichkeit
die Parteileidenschaft stören könnte. Es ist kein Zufall, dass
seit dem parlamentarischen System nationale Eifersucht und
religiöser Hass geschürt, dass verschollene Erinnerungen aus alten
Jahrhunderten, längst vergessene Velleitäten hervorgesucht werden,
um zu reizen und zu entzweien,
Während das Recht eine Organisation des Friedens, des
einträchtigen Zusammenlebens und Zusammenwirkens ist, liegt
in der Konsequenz des Parteilebens eine Organisation des Streites,
eine Verschärfung aller vorhandenen Gegensätze, um sie für die
Differenzierung des Volks in Parteien zu verwerten. Gar mancher
Parlamentarier, der Herrschsucht, Habsucht und andere Leiden-
schaft im Volke entfacht und gesteigert hat, solange er auf-
wärts strebte, hat später die Worte des Zauberlehrlings an sich
erfahren: Die Geister die er rief, wird er nun nicht los.
Ob das Bild, das ich hier zeichne, zu trüb ist, mag jeder
aus der Erfahrung des Lebens beurteilen ’°.
Ich betrachte all das vom Standpunkt des Rechtes aus.
Gutes Recht verlangt ausgebildetes, unbefangenes Rechtsgefühl.
Das Rechtsgefühl aber wird durch derartige Wirksamkeit des
parlamentarischen Systems zerstört. Soll das System dem Volks-
'# Ich habe in den vorhergehenden Anmerkungen einige Beispiele aus
meiner unmittelbaren Erfahrung angeführt, die sich somit auf Oesterreich
beziehen. Aber sie sind nicht spezifisch Österreichisch, sie sind auch nicht
vereinzelt. Ein Liebhaber kann Bände von Beispielen in allen Staaten par-
lamentarischer Ordnung sammeln.