Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

— 244 — 
Majorität Mittel schaffe, welche ihre Macht wirksam 
beschränken? 
Allerdings lehrt uns die Erfahrung, dass die Entwicklung 
eines Systems nicht nach der Konsequenz der es unmittelbar 
bestimmenden Triebkräfte vor sich geht. Jedes System hat schon 
in sich Antinomieen. Das parlamentarische hat sie in der Stel- 
lung der Minoritätspartei. Sie kämpft unter dem Gesichtspunkt 
des mit dem Interesse der Majorität nicht identischen Gesamt- 
interesses, sie verlangt Achtung vor dem Recht, Rücksicht für die 
Minorität. Wenn sie zur Majorität wird, so kann sie sich der Kon- 
tinuität der Meinung, dem Druck ihrer eigenen Argumente, die 
jetzt gegen sie aufgenommen werden, nicht ganz entziehen. Oft 
gelangt sie auch nur vorübergehend zur Macht und sieht dann, 
wenn sie sich ihrer Lage bewusst wird, für ihre wiederkehrende 
Minoritätsstellung vor. So sorgt denn schon die Konsequenz 
des Parteilebens für manche Beschränkungen. Die Triebkraft 
des Systems muss aber auch mit anderen gesellschaftlichen Ener- 
gieen paktieren, um das System zu erhalten. Die Regierungsform 
ist, wie alle formalen gesellschaftlichen Erscheinungen, Funktion 
der realen, insbesondere der wirtschaftlichen und der durch sie 
erzeugten Klassen und Kräfte. Diese Abhängigkeit gilt um so mehr 
für den Parlamentarismus. Er schafft und erzieht sich selbst 
seinen Herrn: das Volk. 
Das Parlament unterscheidet sich, wie wir erkannt haben, 
von Fürst und Kirche dadurch, dass es nicht unabhängig vom 
Volke neben und über ihm besteht, sondern vom Volke gewählt 
wird. Es herrscht über das Volk, wenn es ihm seinen Willen 
einzuflössen vermag. Es wird von ihm abhängig, je mehr das 
Volk sich an Selbstdenken, Selbsturteilen, Selbstwollen gewöhnt. 
An die Stelle der Demagogie tritt dann die Demokratie, die 
wirkliche Herrschaft des Volkes. Die wirksamsten Mittel, um 
Rechtsgefühl in das Parlament zu bringen, sind deshalb alle jene, 
welche das Verständnis, das Urteil, den Charakter im Volke
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.