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Stimmen also gültig und mitzuzählen sind, oder ob sie nicht
wählbar sind, so dass die bezeichneten Stimmen nicht in An-
rechnung kommen ?.
Eine erste Erörterung über die Frage der Wählbarkeit der
Landesherren hat am 9. Dezember 1874 im Reichstage statt-
gefunden. Nach der Ansicht der Wahlprüfungskommission, der
sich auch später der Reichstag anschloss, war eine im 7. Wahl-
kreise des Regierungsbezirkes Stettin für den Kaiser abgegebene
Stimme ungültig, da Se. Majestät nicht wählbar sei. Der Abge-
ordnete Dr. Banks hielt es für zweifelhaft, ob eine solche Stimme
ohne weiteres für ungültig kassiert werden muss oder nicht.
Der Abgeordnete Freiherr v. Minnigerode erwiderte hierauf
unter anderem: „... . nach der Verfassung scheint mir gar
kein Bedenken obwalten zu können. Ich möchte zuvörderst
erinnern an Art. 6 der Verfassung. Da heisst es:
‚Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder
des Bundes.‘
Im Zusammenhange damit erwähne ich Art. 9:
‚Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrats und
des Reichstages sein.‘
Und wenn man nun wieder auf Art. 6 in seinen weiteren
Bestimmungen zurückgeht, nach welcher die Krone Preussen mit
17 Stimmen im Bundesrate vertreten ist, so scheint mir gar kein
Zweifel darüber bestehen zu können, dass Se. Majestät der Kaiser,
da er im Bundesrate vertreten ist, nicht gleichzeitig im Reichs-
tage seinen Sitz nehmen kann“ °®.
Was die Vertreter der Theorie anbetrifft, so haben sie sich
durchweg der im Jahre 1874 angenommenen Praxis des Reichs-
tages angeschlossen und sich für die Nichtwählbarkeit der Landes-
herren sowie für die Ungültigkeit der für dieselben abgegebenen
2 Wahlreglement vom 31. Mai 1869 in der Form der Bekanntmachung
vom 28. April 19038 $ 19 Ziff. 6 und $ 20 Abs. 3.
3 Stenogr. Berichte des Reichstages 1874/75 8. 578.