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formeln des französischen Bulletin des lois die Urkundeneigenschaft der
einzelnen Exemplare beweist, so müsste doch aus dem Wegfall dieser Be-
glaubigungsformeln auch der Wegfall der Urkundeneigenschaft folgen und
ebenso ist die Herstellung und der Vertrieb des Gesetzblattes durch eine
Druckerei nicht gleichwertig mit der speziellen Insinuation einer Gesetzes-
kopie seitens der Regierung an eine einzelne Behörde, welcher die Beob-
achtung des ihr zugesendeten Gesetzestextes befohlen wird. Der Verf. be-
ruft sich ferner darauf, dass in Oesterreich und Preussen bei den in mehreren
Sprachen verkündeten Gesetzen der deutsche Text als der authentische be-
zeichnet wird. Daraus aber, dass dem deutschen Text den Uebersetzungen
gegenüber der Vorrang eingeräumt wird, folgt doch nicht, dass die gedruckte
Kopie auch dem urschriftlichen Original gegenüber diesen Vorrang hat.
Endlich beruft sich der Verf. auf die Bestimmung der Verfassungen, dass
den Gerichten „die Prüfung gehörig verkündeter Gesetze nicht zustehe“.
Allein die Verfassungen untersagen die Prüfung der Rechtsgültigkeit,
des verfassungsmässigen Zustandekommens, nicht die Prüfung der Richtigkeit
des Abdrucks. Aber wenn man auch zugeben will, dass die gedruckten
Kopien der Gesetzesurkunde den Charakter öffentlicher Kopien haben, was
folgt daraus? Entweder ist der Text im Abdruck absichtlich verändert,
dann ist die Kopie eine Fälschung; oder — was thatsächlich allein in Be-
tracht kommt — der Abdruck ist aus Versehen unrichtig, dann enthält die
Kopie einen Irrtum. In beiden Fällen ist die durch Fälschung oder Irrtum
entstellte Kopie, auch wenn sie als Urkunde zu bezeichnen wäre, ohne
rechtliche Kraft und zwar selbst dann, wenn die Richtigkeit der Kopie be-
sonders beglaubigt würde. Die amtliche Verantwortlichkeit für die Heraus-
gabe des Gesetzblattes, ebenso wie eine ausdrückliche Beglaubigung, begründet
nur die rechtliche Vermutung, dass das Gesetzblatt den richtigen Text
enthalte; diese Vermutung fällt aber fort, wenn sie der Wahrheit nicht ent-
spricht, d. h. wenn sie durch die Originalgesetzesurkunde widerlegt wird.
Der Verf. dagegen leitet aus der Urkundenqualität des Gesetzblattes die
Folgerung ab, dass der im Gesetzblatt veröffentlichte Text, auch wenn er
fehlerhaft ist, unbedingt dem Originaltext vorgeht und für die Behörden
ausschliesslich verbindlich ist. Wie dies aus der Urkundeneigenschaft des
Gesetzblattes folgen soll, ist unerfindlich; Schreib- oder Druckfehler und
andere Irrtümer, die sich in einer Urkunde vorfivden, haben doch keine
verbindliche Kraft, nicht einmal bei der Anerkennung eines Rechnungsaus-
zugs. Trotzdem der Verf. S. 234 lehrt, dass die Behörden an die Publi-
kationsfehler auch dann gebunden sind, wenn die Existenz derselben fest-
steht, fügt er sogleich hinzu, dass „eventuelle Unklarheiten und Widersprüche“
im Wege der „Gesetzesinterpretation“ zu beseitigen sind. Höchst charakte-
ristisch ist die Art, wie er diesen Widerspruch mit sich selbst zu beseitigen
sucht. Er sagt, diese Erwägung gehöre nicht in die Lehre von den Publi-
kationsfehlern, sondern in die Lehre von der Gesetzesinterpretation! Eine so