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Wirklichkeit des Rechts, welche der Text vorsteilt, giebt dem Unterricht
eine gewisse wissenschaftliche Strenge und Nüchternheit, welche an der
Lehre des öffentlichen Rechts vielleicht doch manchmal vermisst wird. Der
(Gedanke liegt nahe, ihr mit einer Art Schulkodex zu Hülfe zu kommen.
Die Verwirklichung eines solchen Planes hat aber, das ist nicht zu
verkennen, überaus grosse Schwierigkeiten. Es handelt sich darum, aus dem
überreich herandrängenden Stoff die richtige Auswahl zu trefien, zu geben
was man braucht, nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, denn die Haupt-
sache ist doch, dass eine solche Sammlung geeignet sei sich einzubürgern,
und dafür kann beides hinderlich sein.
Der Herausgeber ist hier jedenfalls nicht in den Fehler des „zu wenig“
verfallen; er will nur das hauptsächliche Quellenmaterial geben, aber es
scheint doch auf eine gewisse Vollständigkeit abgesehen zu sein. Z. B. den
Abdruck des Gesetzes, betreffend den Anspruch des Statthalters in Elsass-
Lothringen auf Gewährung von Pension und Wartegeld hätte man am Ende
für die Zwecke des akademischen Unterrichts entbehren können. Doch der
Herausgeber bemerkt sehr richtig: Jedem es recht zu machen, ist bei solchen
Büchern noch weniger möglich als bei anderen.
Solche grosse Vollständigkeit war natürlich schon äusserlich nur da-
durch möglich, dass der auf solche Weise zu behandelnde Rechtszweig eng
begrenzt wurde. Das Verwaltungsrecht ist ausgeschieden; — nicht ohne
Schwierigkeiten. So werden z. B. um der Reichsrayonkommission willen
die 88 29—31 des Rayongesetzes abgedruckt. Wo bleibt nun der Rest?
Ich meine — wiederum unmassgeblich — man müsste in einer Quellen-
sammlung danach trachten, ein solches Gesetz beisammen zu lassen. Aus-
geschieden ist auch das Landesstaatsrecht; dieses wird besondere Quellen-
sammlungen gewidmet bekommen. Wenn man so vollständig sein will, geht
das auch gar nicht anders. Aber wie wird das nun mit unserer üblichen
Vorlesung über deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht werden? Wir
werden den Studenten eınpfehlen, sich die Quellensammlung zum Reichs-
staatsrecht anzuschaffen. Dann ist die eine Hälfte der Vorlesung ausgestattet.
Wie es mit der anderen gehalten sein soll, vermag ich noch nicht zu über-
sehen. Jedenfalls darf man von den Studenten nicht zu viel Anschaffungs-
eifer verlangen.
Wenn ich hier Bedenken äussere, so sind es die eines Freundes. Ich
wünschte sehr, dass derartige Quellensammlungen sich einbürgerten, und
würde mich freuen, wenn das Unternehmen des Herausgebers von durch-
schlagendem Erfolge gekrönt werden sollte.
Leipzig. Otto Mayer.