Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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deutschen Strafrechts, andererseits über die Wandlungen unseres politischen 
und wirtschaftlichen Daseins, über die Energie, mit welcher sich das soziale 
Element gegenüber dem Individualismus im sittlichen Bewusstsein, in der 
Politik und im Güterleben geltend macht, über die Erfahrungen des Straf- 
vollzuges und über das Wachsen der Kriminalität, in welchen Thatsachen 
für Wach die Gründe der Reformbedürftigkeit liegen. Andererseits wird auch 
hier schon das radikale Programm der neuen Schule und ihre Behauptung, 
wirklich neue Horizonte der Wahrheit und des Gedeihens erschlossen zu haben, 
beanstandet. Mit besonders gutem Griff stellt Abschnitt IT in den Vordergrund, 
wie jeder Kampf wissenschaftlicher Richtungen dann in Verfälschungen und 
irreführende Differenzierungen ausarte, wenn ihm das Politische und damit das 
Menschlichleidenschaftliche anhafte, und wenn der Streit auf die Grund- 
fragen unseres Seins zurückgehe. Beides ist hier der Fall, und daher dient das 
Schlagwort als Panier. Das Unrichtige solcher Kampfesweise wird an den 
Losungsworten Zweck- und Vergeltungsstrafe, sowie deduktive und induktive 
Methode dargethan. Die unüberbrückbaren Gegensätze der klassischen und 
der positiven Schule werden auf die verschiedene methodische Behandlung 
des Stoffes zurückgeführt. Professor Wach, bekanntlich Vertreter der klassi- 
schen Schule, weist folgende Fehler in der methodischen Behandlung der 
Positivisten nach: 1. Die Frage nach den gesetzmässig wirkenden Ursachen 
des strafbaren Handelns führt auf einen jeder Erfahrung widerstreitenden Irr- 
weg; 2. die Begrenzung und Isolierung des wissenschaftlichen Objekts auf 
Verbrecher, Verbrechen und Verbrechertum als soziale Erscheinung, das 
Suchen nach den eigenartigen gesetzmässig, d.h. zwingend und berechenbar 
wirkenden biologischen und sozialen Ursachen des Verbrechens drängt auf 
einen zu schmalen Weg, der niemals zur Erkenntnis führt; 3. die Behand- 
lung der Strafe durch die Kriminalsoziologen als eines sozialen Schutz- und 
Heilmittels nach festem Programm, die Berechnung der Strafe auf die Person 
des sozialen Schädlings, die „Gesinnungsstrafe“ wird als ein „eigentümliches, 
für viele bestrickendes Gewebe von Wahrheit und Irrtum“ entwirrt, in dem 
der Rückfall in längst überwundene Entwicklungsstadien unschwer zu erkennen 
ist. Wach schlägt seine Gegner mit deren eigenen Waffen, indem er be- 
weist, dass die Gesinnungsstrafe nicht nur im Widerspruch mit der grund- 
sätzlichen Scheidung von Recht und Moral, sondern auch mit dem Prinzipe 
der soziologischen Wissenschaft steht. Damit aber, meint Wach, sei dar- 
gethan, dass es eines Kompromisses der kriminalistischen Schulen zum Zwecke 
der Verbesserung unserer Gesetzgebung nicht bedarf, und dass der Boden, 
auf dem die klassische Schule steht, nicht verlassen werden kann noch wird. 
Die klare Bestimmtheit, mit der Professor WacH sich hier auf den 
einen, auch unseres Erachtens allein richtigen Standpunkt festlegt, ist um 
so wertvoller, als er inzwischen in die Reichskommission zur Vorberatung 
der Strafrechtsreform getreten ist. Abschnitt III wendet sich den zwei 
Hauptpunkten zu, in denen die Kriminalsoziologen und die klassi-
	        
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