— 300 —
Geisteskranken und Verbrechern, Abschaffung der kurzzeitigen Freiheits-
strafe, freieres richterliches Strafzumessungsermessen, radikale Abänderung
der Geldstrafenabmessung. — Als zu Spezialgesetzen geeignet und als solche
auch erreichbar werden vier, eigentlich fünf Punkte aufgerechnet: 1. Um-
gestaltung der Freiheitsstrafe durch Einschaltung einer Strafe, die sich, frei
von allen benachteiligenden oder belästigenden Nebenumständen oder Neben-
wirkungen als einfache Entziehung der Freiheit darstellt; 2. gesetzliche
Zwangsisolierung aller Untersuchungsgefangenen und aller solchen Personen,
die nur zu kürzeren Strafen verurteilt sind; 3. Einrichtung besonderer
Anstalten für jugendliche Verbrecher, versuchsweise 3a: auch von Straf-
anstalten für solche Personen, auf die, wie bei Jugendlichen, durch längere,
mildere, mehr erziehliche Behandlung einzuwirken ist; 4. Umwandlung der
im Verwaltungswege eingeführten bedingten Begnadigung in gesetzlich fest-
gelegte bedingte Verurteilung. Für die Verwahranstalten (zu 1 und 4 der
fünf Punkte) werden einige allgemeine Gesichtspunkte, auch einige Hinweise
auf das Ausland beigebracht. Eingehendere Vorschläge fehlen. Der Herr
Vortragende weist bei der Reformgeldstrafe selbst auf deren wundesten
Punkt hin, dass der Zahlungsfähige sich diese Art Strafe zu einer viel be-
quemeren gestalten kann als der Arme. Die demnächst angereihte Betrachtung
einer Anzahl von Hauptfragen des Reformstrafgesetzbuches behandelt Neue-
rungen der Geldstrafe, mit besonderer Berücksichtigung der aus der Zahlungs-
unfähigkeit des Verurteilten fliessenden Folgen, und geht erneuert auf die
Forderungen der modernen Schule, ihre Hervorkehrung des subjektiven
Moments und Einräumung weiterer Strafmassgrenzen ein. Dann meint Herr
v. Bar wieder einen Vereinigungspunkt beider Schulen dahin gefunden zu
haben, dass sie übereinstimmend für alle Strafthaten” ausnahmslos Zuer-
kennung sog. mildernder Umstände nachlassen sollten. In allen weiteren
Ausführungen tritt überall echt v. Barsche Verstandesschärfe und unerbitt-
liche Folgerichtigkeit, aber auch jene gewisse — venia sit verbo — prak-
tische Unbeholfenheit hervor, die erweist, alle die scharfsinnigen Vorschläge
sind in der stillen Studierstube ersonnen, aber nicht im lebenswarmen
Tumulte hin- und herschwankender Gerichtsverhandlungen und unter Be-
herrschung täglich sich erneuernder Schwierigkeiten gegenüber den Insassen
und der Verwaltung eines Gefängnisses erdacht. Das gilt mit geringer Ein-
schränkung auch für die im Anhange gegebene Zusammenstellung zahlreicher
Einzelreformvorschläge.
Halberstadt. Erster Staatsanwalt Dr. Axel Benedix.