Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

— 307 — 
Der III. Civilsenat hat in dem Urteil vom 26. März 1901 
(Bd. 48 S. 84ff.) sich diesen Ausführungen angeschlossen!. 
Diese Entscheidungen des Reichsgerichts haben eine Trag- 
weite, welche über die im kronkreten Falle zu entscheidende 
Frage nach der rechtlichen Bedeutung der „Grundsätze“ weit 
hinausgeht; sie betreffen einen wichtigen Punkt des Verordnungs- 
rechts und das Wesen der Verkündigung, und da sie mit den 
in der Theorie des deutschen Staatsrechts herrschenden An- 
sichten in Widerspruch stehen, so geben sie zu einer Nach- 
prüfung dieser Ansichten Veranlassung. 
I. 
Die Frage, ob die Vorschrift des Art. 2 R.-V. über die 
Verkündigung der Reichsgesetze sich nur auf formelle Reichs- 
gesetze oder auch auf Rechtsvorschriften ohne Gesetzesform be- 
zieht, ist streitig. In dem Wortlaut des Art. 2 sind die Rechts- 
verordnungen nicht ausdrücklich erwähnt; das Reichsgericht be- 
findet sich also nicht im Widerspruch mit diesem Wortlaut, 
wenn es den Art. 2 auf formelle Reichsgesetze beschränkt. 
Andererseits ist für die Auslegung des Art. 2 in Betracht zu 
ziehen, dass er unmittelbar vorher den Satz enthält, dass 
Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen, und da es un- 
zweifelhaft und unbestritten ist, dass hierdurch allgemein der 
Vorrang des Reichsrechts vor dem Landesrecht, nicht bloss 
der Vorrang der formellen Reichsgesetze vor den formellen 
Landesgesetzen festgestellt wird, so ist die vom Reichsgericht 
gebilligte Interpretation nicht für den ganzen Art. 2 durchführ- 
bar, sondern legt dem Worte „Reichsgesetz“ in einer und der- 
selben Zeile der Reichsverfassung zwei verschiedene Bedeutungen 
bei, was gewiss keine empfehlenswerte Methode der Gesetzes- 
I Aehnlich schon ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 2. Juni 
1876. Entscheidungen Bd. 21 S. 62. 
21*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.