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lassen worden ist. Er folgt vielmehr aus dem Wesen der Rechts-
vorschrift als eines Teils der öffentlichen Rechtsordnung, aus
ihrer Gemeinverbindlichkeit. Die Verkündigung gehört zur Er-
klärung des gesetzgeberischen Willens gegenüber den Behörden
und Unterthanen. Eine nicht gehörig verkündete Rechtsvorschrift
ist nicht erklärt, also nicht vorhanden. Der Grundsatz findet
also nicht nur auf formelle Gesetze, sondern auch auf Rechts-
verordnungen Anwendung. Es ist nicht notwendig, dass für
beide Arten von Rechtsvorschriften dieselbe Art der Verkün-
digung besteht; es kann ein gewisses Blatt ausschliesslich für
die Verkündigung der formellen Gesetze bestimmt sein, während
andere Rechtsvorschriften in anderer Weise verkündet werden.
Immerhin aber ist ein Rechtssatz erforderlich, welcher den Ab-
druck der Rechtsverordnungen in dem dafür bestimmten Blatt
den Charakter der Verkündigung beilegt und die Fiktion der
allgemeinen Kundbarkeit der Vorschrift begründet.
Insbesondere gilt dies auch von Polizeiverordnungen;
die Art und Weise ihrer Verkündigung hängt keineswegs
von dem Belieben der Behörde ab, welche zu ihrem Erlass
befugt ist, sondern ist durch gesetzliche Vorschrift geregelt'°.
Die letztere ist keine bloss instruktionelle, deren Befolgung
für die Gültigkeit der Polizeiverordnung ohne Bedeutung wäre,
sondern sie bildet eine rechtlich erhebliche Voraussetzung der
Gültigkeit.
1% So insbesondere in Preussen durch die Verordnung vom 26. März
1811 (G.-S. S. 165); ferner Gesetz vom 11. März 1850 $ 5; Gesetz vom
10. April 1872 (G.-S. S. 357); Landesverwaltungsgesetz vom 26. Juli 1880
$ 76; vom 30. Juli 1883 $ 140 (G.-S. S. 231). Für das Reich ist die
Verkündigung der Polizeiverordnungen in den Konsulargerichtsgebieten,
Schutzgebieten und Kriegshafenbezirken gesetzlich geregelt (siehe mein Staats-
recht des Deutschen Reichs Bd. II S. 102); ferner enthalten die Arbeiter-
versicherungsgesetze Vorschriften über die Art der zu bewirkenden Veröffent-
lichungen (siehe Rosın, Arbeiterversicherung S. 104f.).