Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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den Rechtsanwälten und der überwiegenden Mehrzahl der Ge- 
richte unzugänglich sind. Das Reichsgericht befindet sich 
hier in einer Ausnahmestellung, welche es nur mit sehr wenigen 
Behörden im Reichsgebiet teilt. Ob Vorschriften aber subjek- 
tive Rechte und Rechtspflichten begründen oder bloss Dienst- 
anweisungen sind, muss allgemein erkennbar sein. Man kann 
doch die Rechtsprechung nicht darauf einrichten, dass die Par- 
teien erst in der Revisionsinstanz erfahren, ob ein Rechtssatz 
sanktioniert worden ist oder nicht, und dass die Gerichte der 
unteren Instanzen bei ihren Entscheidungen im Dunkeln herum- 
tappen und darauf angewiesen sind, zu erraten, ob sie in einer 
Verordnung eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift vor sich 
haben, bis die Erleuchtung, was von beidem der Fall ist, vom 
Reichsgericht auf sie herunterfliesst. Und wenn selbst die Druck- 
sachen des Bundesrats weniger geheimnisvoll behandelt würden 
und auch den Land- und Amtsgerichten zugänglich wären, so 
könnte man doch den Richtern im einzelnen Falle nicht zu- 
muten, dieses überaus umfangreiche und wenig übersichtliche 
Material durchzuarbeiten. Wenn in dem in Rede stehenden 
Falle das Reichspostamt und das Kammergericht die entgegen- 
gesetzte Ansicht wie das Reichsgericht hatten, so beweist dies 
am besten, in welche Unsicherheit die Praxis der Verwaltungs- 
behörden und der Gerichte durch den Mangel eines formellen 
Kriteriums versetzt wird. 
Für die Reichsgesetze im formellen Sinne besteht in posi- 
tiver und negativer Richtung ein sicheres und leicht erkennbares 
Erkennungszeichen der Verkündigung; sind sie im Reichsgesetz- 
blatt abgedruckt, so sind sie gültig verkündigt und haben rechts- 
verbindliche Kraft; sind sie daselbst nicht abgedruckt, so exi- 
stieren sie für Gerichte, Verwaltungsbehörden und Unterthanen 
nicht. Für die reichsrechtlichen Anordnungen ohne Gesetzes- 
form besteht vollkommen das gleiche Bedürfnis; nach der An- 
sicht des Reichsgerichts aber wird ihm nicht genügt; sie können
	        
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