Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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der Vertreter des Reichskanzlers bei der Bekanntmachung eines 
Bundesratsbeschlusses auf eine ihm vom Reichskanzler erteilte 
Substitutionsvollmacht Bezug genommen hat, und keinen einzigen 
Fall, in welchem etwa ein bayerischer, sächsischer, württembergi- 
scher Bundesratsbevollmächtigter in Vertretung des Reichskanz- 
lers den Bundesratsbeschluss bekannt gemacht hat. Dagegen 
giebt es zahllose Fälle, in welchen die Bekanntmachung durch 
einen Ressortstellvertreter des Reichskanzlerg unterzeichnet worden 
ist. Eine solche Stellvertretung ist aber nach dem Reichsgesetz 
vom 17. März 1878 nur zulässig in den Funktionen des Reichs- 
kanzlers als des Reichsministers des Kaisers für diejenigen ein- 
zelnen Amtszweige, welche sich in der eigenen und unmittelbaren 
Verwaltung des Reichs befinden. Daraus folgt, dass der Reichs- 
kanzler die Beschlüsse des Bundesrates in dieser Eigenschaft 
bekannt macht. 
Würde der Reichskanzler als Vorsitzender des Bundesrates 
die Beschlüsse desselben publizieren, so bedürfte dies keiner 
weiteren Begründung; denn dies gehört zu der ihm zustehenden 
Leitung der Geschäfte des Bundesrates®®. Wie kommt aber der 
Reichskanzler als Minister des Kaisers dazu, die Beschlüsse des 
Bundesrates zu verkündigen? Kaiser und Bundesrat sind zwei 
getrennte und voneinander unabhängige Organe des Reiches. 
Der Kaiser als solcher ist nicht Mitglied des Bundesrates, son- 
dern nur als König von Preussen. Aus dem verfassungsmässigen 
Verhältnis des Kaisers zum Bundesrat lässt sich daher eine Kom- 
petenz des kaiserlichen Ministers zur Verkündigung der Bundes- 
ratsbeschlüsse nicht ableiten. Auch zu den Geschäften der 
Reichsverwaltungsbehörden, deren oberster Chef der Reichs- 
kanzler ist, gehört die Verkündigung der Bundesratsbeschlüsse 
nicht, zumal sie zum grössten Teile Geschäftszweige betreffen, 
  
”° Revidierte Geschäftsordnung des Bundesrats $ 27: „Die zur Aus- 
führung der Beschlüsse des Bundesrates erforderlichen Verfügungen werden 
vom Reichskanzler getroffen.“
	        
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