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welche nicht vom Reich, sondern von den Einzelstaaten ver-
waltet werden. Endlich kann auch’ auf Art. 17 R.-V. die Ver-
kündigung durch den Reichskanzler nicht gestützt werden, denn
dieser Artikel handelt nur von der Ausfertigung und Verkündi-
gung der Reichsgesetze durch den Kaiser. Es bleibt also wohl
nichts anderes übrig als anzunehmen, dass man aus Gründen
praktischer Zweckmässigkeit die Verkündigung der Bundesrats-
beschlüsse als eine Amtshandlung des Reichskanzlers als Reichs-
ministers behandelt und demgemäss auch die Stellvertretung
desselben geordnet hat. Diese Praxis reicht bis in die Zeit des
Norddeutschen Bundes zurück °*, sie ist von keiner Seite an-
gefochten worden und hat durch lange und konstante Uebung
Anerkennung gefunden; mit dem Art. 15 Abs. 2 R.-V. und dem
Stellvertretungsgesetz vom 17. März 1878 steht sie aber nicht im
Einklang °®®.
# Die ersten Beispiele sind die Bekanntmachungen vom 25. Sept. 1869
über die Prüfungen der Aerzte etc. und der Seeschiffer (Bundesgesetzblatt
S. 635 und 660); sie sind unterzeichnet: der Kanzler des Norddeutschen
Bundes. In Vertretung Delbrück.
#5 Vgl. mein Staatsrecht des Deutschen Reiches Bd. II S. 97 102.
HäneL, Organische Entwicklung S. 89. SevpeL, Kommentar zur R.-V., 2. Aufl.
S. 176 und Staatsr. Abhandlungen. Neue Folge. 1902 S. 129. Henskı
in Hirths Annalen 1882 S. 13. HERwEGEN, Reichsverfassung und Bundesrat,
1902 S. 71.