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einen Widerspruch, insofern Staat und Bund sich ausschliessen.
Unser strengerer Staatsbegriff duldet auch nicht zweierlei oder
gar dreierlei Staat für das nämliche Gebiet. Aber statt von hier
aus zu schulmeistern, was billig genug ist, halten wir uns lieber
doppelt sorgsam an unsere eigene Aufgabe. Wir lassen also den
Bundesstaat einfach gelten als politisches Programm. Aufgabe
der Rechtswissenschaft ist, dass sie die Rechtsformen aufweist,
in welchen dieses Programm sich verwirklicht’.
Man kann nicht sagen, dass die deutsche Rechtswissen-
schaft es an Konstruktionsversuchen für den Bundesstaat hat
fehlen lassen. Höchst merkwürdig ist es aber, zu sehen, wie hier
alles unter dem beherrschenden Einflusse amerikanischer Ideen
steht.
Das gilt in erster Linie von der Waıtzschen Lehre, die ja
längere Zeit massgebend gewesen ist: die bekannte Formel der
Trennung der Gewalten wurde hier verwertet, um zweierlei
Staatsgebilde selbständig nebeneinander auf dem Bundesgebiet
aufzubauen. Dieses System ist heute bei uns aufgegeben. Es
war aber nur eine gründlichere Ausführung gewesen der Be-
merkungen TOCQUEVILLES in seiner Democratie en Am£rique und,
wir werden sehen, TOCQuEVILLE hatte nicht so unrichtig beob-
achtet: unter den besonderen Voraussetzungen, welche die nord-
amerikanische Union dem Bundesstaate giebt, liegt diese Auf-
fassungsweise ganz nahe®,.
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5 HaAENEL, Deutsches Staatsrecht Bd. IS. 200 drückt das treffend so aus:
„Die Bezeichnung des Thatbestandes, welchen die politischen Einrichtungen
Nordamerikas, der Schweiz und Deutschlands aufweisen, als Bundesstaat ist
zunächst nur eine Aussage der historisch-politischen Statistik. Sie hat ihre
Verdeutlichung und Ergänzung zu finden durch die Beurteilung des That-
bestandes unter dem Gesichtspunkte des Rechtes und damit an dem Mass-
stabe staatsrechtlicher Begriffe.“ Unseres Erachtens nimmt er dann freilich
zu viel Politisches in diese Beurteilung herüber.
6 TocquEviLLE, De la democratie en Amerique I chap. VIII (zuerst
1885); Waıtz in Allg. Monatsschr. f. Wissensch. und Litt. 1853 S. 494 ff. —
Wenn es sich darum handelt, in welcher Ordnung Bund und Einzelstaat