Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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selbst eine Einstimmigkeit der Regierungen genügt nicht zur 
Auflösung, Mehr kann auch der Oberstaat zur Sicherstellung 
des Reichsbestandes nicht leisten. 
Wir haben demnach jetzt das Ergebnis: mit allem Vor- 
behalt, wie sich die Sachen im Einzelfall wirklich gemacht haben, 
denkbar ist es, das, was der Bundesstaat politisch sein soll, 
juristisch auf zweierlei Wegen gleichartig zu erreichen: in der 
Form des Oberstaates wie in der des Staatenvertrages. 
Gleichwertig für die politische Beurteilung; juristisch ist 
natürlich der Gegensatz tiefgehend genug. Die wichtigsten 
Bundesstaaten, an welchen unsere Lehre dargestellt zu werden 
pflegt, sind alle hervorgegangen aus einer Vorstufe unzweifel- 
hafter vertragsmässiger Vereinigung. Nehmen wir einmal an, 
was ja juristisch möglich ist, es wäre in einer solchen die Bundes- 
gewalt schon derartig stark entwickelt gewesen, dass man gar 
nicht beabsichtigte, den neuen Oberstaat sachlich reicher aus- 
zustatten, so würde gleichwohl mit dem Uebergang zu dieser 
Form eine gewaltige Aenderung in der Rechtsstellung der ver- 
bundenen Staaten sich vollziehen. Und zwar lässt sich alles mit 
„Vertrag ist Vertrag und kann nicht Gesetz werden.“ Aber die durch 
Vertrag Verbundenen können doch ihren Vertrag noch überdies unter die 
Garantien einer dem Gesamtvolke gegebenen Verfassung stellen, die kein 
Vertrag ist. Warum soll das nicht möglich sein? So gut es konstitutionelle 
Monarchen giebt, kann es auch konstitutionelle Monarchenvereine geben, 
und bei diesen kann dann diese eigentümliche Unlösbarkeit des Vereins 
entstehen. Nach SEeYDELs Ausdrucksweise bliebe immer noch die Hinter- 
thüre offen, dass ein bayerisches Verfassungsgesetz der Auflösung des Reiches 
rechtsgültig die Genehmigung gäbe ohne den Reichstag: der Bruch der 
„eigenen staatlichen Rechtsordnung“ bestünde dann nicht, auch wenn ein 
vorausgehendes bayerisches Verfassungsgesetz gesagt hätte, die Auflösung solle 
nur mit Zustimmung des Reichstages möglich sein. Diese Folgerung ist 
unabweisbar. SeypEL will diese Hinterthüre selbst nicht; er will geradezu 
eine Unauflöslichkeit für die Landesgesetzgebung. Aber im Ausdruck schont 
er eben immer frühere Ansichten. Damit muss man rechnen. — Die poli- 
tische Gleichwertigkeit von SEYDELs juristischer Konstruktion wird auch 
von -LABAnD, Staatsrecht Bd. I S. 90 Note 2, offen anerkannt.
	        
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