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oder den Souverän. Einen neuen Souverän in diesem Sinn
brauchen wir für die Bundesgewalt, und wenn man uns sagt, es
sei eine juristische Person, gebildet von den Einzelstaaten, so er-
scheint durch diese doppelte Verhüllung hindurch als Träger-
schaft der Bundesgewalt immer nur die Wirklichkeit der Sou-
veräne dieser Einzelstaaten — die volle Verneinung des neuen
selbständigen Souveräns, den wir suchen '%,
Stellung der Bundesstaaten geändert hätte. — GIERKE, Genossenschaftsrecht
Bd. II S. 853, erläutert erst den Staatenbund: „eine als Person anerkannte ge-
nossenschaftliche Veranstaltung“, und stellt dem den Bundesstaat gegenüber:
„Soweit dagegen eine Einungskörperschaft als für sich bestehende Person
mit selbständigen Daseinszwecken über die Glieder tritt und von ihnen
Unterwerfung und Opfer fordert, als geschichtlich gegebene und dauernde
Existenz eine höhere Willensordnung vorstellt, ist sie eine staatsrechtliche
Körperschaft. Es liegt also im Verhältnis zu den Gliedern wirklicher Bundes-
staat vor, der als höhere Allgemeinheit über dem Sonderleben eine Sphäre
gesamtstaatlichen Gemeinlebens erzeugt.“ Diese neue höhere Willensordnung
mit selbständigen Daseinszwecken im Gegensatz zu denen der Gliedstaaten
können wir uns juristisch nur so vorstellen, dass in der Bundesgewalt ein
anderer menschlicher Wille Träger der Herrschaft wird, als der, welcher in
ihnen selbst so erscheint, und zwar der lebendige menschliche Wille eines
Monarchen oder einer souveränen Bürgerschaft, kein bloss gedachter oder,
wie man es auch schon ausgedrückt hat, aus ihren Willen „herausdestillierter“.
1# LABAnD, Staatsrecht Bd. I S. 91: „Das Deutsche Reich ist eine
Juristische Person von 28 Mitgliedern. Diese Mitglieder sind an der Reichs-
gewalt ebenso mitbeteiligt, wie es in der Demokratie die vollberechtigten
Staatsbürger an der Staatsgewalt sind.“ Wenn wir doch einmal die Demo-
kratie heranziehen, so werden wir auch die Anschauungen ihres berufensten
Apostels berücksichtigen dürfen. Das Wesen der Republik besteht nach
Rousseau darin, dass jeder Bürger wegen seines Anteils an der Gewalt nur
sich selbst gehorcht, wenn er dieser gehorcht. Deshalb ist er frei. Die
Freiheit der Staaten aber ist ihre Souveränetät. Also wäre das Reich hier
nicht ihr Souverän, sondern nur, um mit GIERKE zu reden, ihre „genossen-
schaftliche Veranstaltung“. LasBanp denkt sich die Sache so: trotzdem dass
die Masse der Bürger die Staatsgewalt hat, ist die Republik ein souveräner
Staat und sind diese Bürger zugleich Unterthanen, eitoyens und sujets nach
Rousseau; in derselben Weise sind die Gliedstaaten Bürger und Unterthanen
des Reiches. Aber Staaten sind eben doch Bürger ganz besonderer Art:
sie sind, jeder für sich, von Natur berufen zu herrschen, souverän zu sein,
eine perfecta communitas darzustellen. Wenn die republikanischen Bürger