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Ill. Der alte deutsche Bund war das Muster einer ver-
tragsmässigen Staatenvereinigung. Als gegen Mitte des vorigen
Jahrhunderts die Bewegung zur Verbesserung des Standes der
deutschen Sache ins Rollen kam, verschmähte man es, auf dieser
Grundlage einfach weiter zu bauen. Es war dem Bundestag ge-
lungen, die patriotischen Gemüter mit Verachtung und Miss-
trauen gegen alles zu erfüllen, was nach Bund und Vertrag
aussah.
So wurde der einheitliche deutsche Staat das Ziel. Er
sollte monarchisch sein, die vorhandenen Monarchien bestehen
lassen, also ein Bundesstaat. Die viel angerufenen Schriften des
Generals FRIEDRICH V. GAGERN geben ein treues Bild dieser
Stimmungen und Strömungen. Dort finden wir z. B.?* das Zwie-
gespräch eines Unitariers und eines Föderalisten über Deutsch-
lands Einigung. Die schüchterne Frage des letzteren, ob nicht
„dies alles durch einen Bund erreicht werden könnte”, wird
durch den Hinweis auf den Bundestag und seinen offenbaren
Mangel an gutem Willen totgeschlagen. Der Bundesstaat allein
kann helfen. Von diesem wird dann in kräftigen Zügen ein
Bild gezeichnet?’; er soll eine Erbmonarchie sein mit repräsen-
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dazu ist, dass die Einheitsrepublik durch Schaffung solcher Selbständigkeiten
sich auch in einen Bundesstaat verwandeln kann. Ein Beispiel bietet die
Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien nach Verfassungsgesetz vom
25. Febr. 1891. — JELLNER, Staatenverbindungen S. 280 281, drückt das Ver-
hältnis in einer scharf zugespitzten Formel aus, wenn er sagt, die Gliedstaaten
seien juristisch als eine Schöpfung des die Verkörperung der Nation dar-
stellenden Gesamtstaates aufzufassen; er kann sich dafür auch auf einen
Ausspruch LmncoLns berufen. Es ist, wenn vom republikanischen Standpunkte
aus betrachtet, etwas Wahres daran. Wenn JELLINEK bei uns gleichwohl
nicht viel Anklang damit gefunden hat, so liegt das daran, weil eine Art ge-
sunden Menschenverstandes der Anwendung dieses Gedankens auf das Deutsche
Reich widerstrebt.
»° H. v. Gacsrn, Das Leben des Generals Fr. v. Gagern Bd. I
S. 361 ff.
= A. a. 0.8. 372.