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tativer Verfassung. In Wirklichkeit ist es ein ganz unvertälsch-
ter Einheitsstaat; die Einzelstaaten sind Provinzen so sehr, dass
alle ihre Beamten im Dienste des Kaisers stehen; die Fürsten
dürfen neben diesem ein house of lords bilden, das ist alles.
Das Frankfurter Parlament bewegt sich in derselben
Richtung; nur machen sich jetzt noch andere Einflüsse stärker
geltend. Die „Deutsche Zeitung“ hatte es gleich nach den
Berliner Märztagen angekündigt, „dass während man sonst eine
Annäherung an das Einheitsmonarchische in der Verfassung
Deutschlands für das Wünschenswerteste hielt, man jetzt eine
Annäherung an das Föderalistisch-Republikanische, an die ameri-
kanische Verfassung anstreben wird“?®, Die monarchische Staats-
form wurde ja bekanntlich mit knapper Not für die Reichs-
verfassung beibehalten. Desto fester stand die Ueberzeugung,
dass alles Heil darauf beruhe, dass das zu Schaffende den Namen
eines Bundesstaates verdiene und dass Amerika das massgebende
Vorbild sei für das, was zu einem solchen gehört. In den Ver-
handlungen des Parlaments blickt man immer wieder dort hin-
über. Als einmal dem Verfassungsausschuss wieder der übliche
Vorwurf gemacht worden war, er sei bei einem Beschlusse ab-
gewichen vom Bundesstaate, erklärte der Berichterstatter MıTTEr-
MEIER entrüstet: „Uns ist treu der Bundesstaat vor Augen ge-
wesen. Es gehört zu meiner Lebensaufgabe, seit mehr als
40 Jahren mich vorzüglich dem Studium der amerikanischen Ver-
fassung zu widmen.“?® Dass die Sache nicht so einfach ist,
kam dazwischen ganz wohl zum Bewusstsein. So wenn Wartz
einmal namens des Verfassungsausschusses erklärte: dieser habe
hier eine Probe gemacht, „wie er aus Monarchien einen Bundes-
staat zu formen habe, eine Aufgabe, welche die Politik der
Weltgeschichte bis zu diesem Augenblicke noch nicht gestellt
?%* Deutsche Zeitung, 27. März 1848.
® Wısaxp, Verhandlungen der Nationalversammlung Bd. IV S. 2982.