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und eben darum auch nicht gelöst hat“ 3°. Worin besteht die
Lösung, welche die Reichsverfassung von 1849 giebt? Ein Ober-
staat mit Kompetenz-Kompetenz, an der Spitze der erbliche
Kaiser mit zwei Kammern, das Volkshaus, aus allgemeinen
Wahlen hervorgehend, das Staatenhaus, bestimmt, die Bundes-
natur des Bundesstaates zu veranschaulichen. Jeder Staat hat
darin seine bestimmte Zahl von Abgeordneten, welche zur Hälfte
von seiner Regierung, zur Hälfte von seiner Volksvertretung ge-
wählt werden, bei grösseren Ländern, Preussen zumal, geschieht
diese Wahl nicht durch den Landtag, sondern durch die Pro-
vinzialvertretungen. Das war noch etwas weniger, als der ameri-
kanische Senat der Individualität der Einzelstaaten gewährt.
Wie aber wäre es gestanden mit den unjuristischen Garan-
tien der Selbständigkeit der Einzelstaaten, die in der Union den
Bundesstaat ausmachen? Das Verhältnis zwischen dem Ober-
monarchen und den Untermonarchen war hierfür sicher kein
günstiges. Das Volk, von dem ja nach dieser Verfassung, nament-
lich gemäss dem verhängnisvollen 8 101, ein grosses Stück
Souveränetät im republikanischen Sinne durch seine Vertretung
auszuüben war, würde durch sein „eidgenössisches Rechtsgefühl“
die Sache zu halten gehabt haben. Wie es damit stand, mit
s° Wıcann Bd. IV S. 3157. Waıtz fährt fort: „Wir haben deshalb
nicht ohne weiteres auf unseren neuen Bundesstaat übertragen können, was
die republikanischen Bundesstaaten der alten und neuen Welt bis dahin ins
Leben gerufen haben.“ Derartigen Zeugnissen eines allgemeinen Bewusst-
seins des wichtigen Gegensatzes begegnen wir häufig. Nur über die Folgen
ist man sich nicht klar. Die ausdrückliche Erklärung der Volkssouveränetät
hat das Frankfurter Parlament ja glücklich abgelehnt. Aber für den juri-
stischen Aufbau des Reiches spielt man immer mit diesem Gedanken. So
ein anderer Bericht des Verfassungsausschusses (MITTERMEIER und DROYSEN
als Berichterstatter) bei Wısanp Bd. IV S. 2723: Der Bundesstaat bedeutet
die unmittelbare Verbindlichkeit der Gesetze für die Bürger; „die Bundes-
gewalt verwirklicht den Nationalwillen“; die Reichsgewalt „wurzelnd im
Gesamtwillen“, im Willen der „Gesamtbevölkerung“. Das ist republikanisches
Bundesstaatsrecht.