Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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Es ist nicht schmeichelhaft für unsere staatsrechtliche Litte- 
ratur, dass es ihr so wenig gelungen ist, beim Auslande den 
Eindruck charaktervoller Eigenart hervorzubringen. Dieses sieht 
uns auf der Suche nach einem selbständigen Reichssouverän, den 
wir aber niemanden einleuchtend zu machen wissen. Da kommt 
es uns denn zu Hülfe und leiht uns den seinigen. Gar manche 
von unseren halbverdeckten und gewundenen Formulierungen geben 
ihm Anlass genug zu glauben, dass wir den eigentlich auch im 
Sinn haben und nur nicht recht wagen, ihn geradeheraus zu 
nennen: es ist der nach seiner Meinung stets bereite republi- 
kanische Gesamtsouverän. Germania trägt aber nun einmal keine 
phrygische Mütze, sondern sie trägt einen Kranz von Kronen 
im Haar. Müssen wir ihr immer wieder sagen lassen: es sei 
doch eine phrygische Mütze, nur leider eine recht missgestaltete? 
Es giebt für unsere Staatslehre kein Heil, als freies offenes Be- 
kenntnis zu dem, was wir sind, und dass wir anders sind als die 
anderen, unter Verzicht auf alle Zweideutigkeiten. Den fremden 
Schriftstellern selbst ist es nicht entgangen, dass sich gar manches, 
so wie es bei uns ist, aus dem fortdauernden Bundesverhältnisse 
einfacher und widerspruchsloser erklären würde, und sie tadeln 
uns darum. Aber es handelt sich nicht bloss um solche Einzel- 
heiten, sondern um eine falsche juristische Grundauffassung, die 
wir uns aufdrängen lassen und mit der alles schief wird. Hat 
man nicht allen Ernstes die Behauptung aufgestellt, juristisch 
seı das Reich als Schöpfer der Gliedstaaten anzusehen! Hat man 
nicht mit der Möglichkeit gespielt, diese einfach wegdekretieren zu 
lassen, wobei Meinungsverschiedenheit herrscht, ob sie nur alle 
zusammen oder auch einzeln verspeist werden können! In der 
Praxis glaubt uns das kein Mensch. Denn die nüchterne Wirk- 
lichkeit ist und bleibt, dass die Staaten im Gegenteil das Reich 
um ihrer selbst willen geschaffen haben und dass es vor allem 
auch bestimmt ist, die Form zu geben, um Preussen die Führer- 
schaft, allen Mitgliedern aber ihr Sonderdasein in berechtigtem 
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 3. 25
	        
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