Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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Bei aller sonstigen Zerfahrenheit der Theorie ist es geradezu die 
Losung und die Hauptaufgabe geworden für jeden, der sich mit 
diesen Dingen beschäftigt, wie er das Reich von seiner Vertrags- 
grundlage an irgend einem Punkte, früher oder später, loskon- 
struiert. Seltsam genug und doch nach allem, was wir gesehen, 
nicht mehr so verwunderlich. Hier sind offenbar wieder jene 
Imponderabilien am Werk, oder wenn ich so sagen soll, die ir- 
rationalen Mächte, die uns überall auf diesem Gebiete begleiten: 
amerikanische Vorbilder und politische Befangenheiten. Das 
(Gespenst CALHOUNs, das SEYDEL so überflüssigerweise herauf- 
beschworen, hat nun einmal bei allen Gutgesinnten die patrio- 
tische Sorge erweckt um die Sicherheit und die Festigkeit unseres 
teuren Reiches, und so ist man denn immer noch eifrig daran, 
dieses Gespenst zu bannen mit der bewährten amerikanischen 
Zauberformel: Not a compact °®. 
Gesetz und Rechte „erben“ sich nicht bloss fort, sie „rücken“ 
auch „sacht von Ort zu Ort“. Die fremden Rechtsideen fallen, 
getragen vom frischen Luftzug der Kulturgemeinschaft, reichlich 
»5 Mit besonderer Kraft ist diese Stimmung zum Ausdruck gekommen 
in der Festrede von Zorn, Reich und Reichsverfassung S. 9. Die „bayerische 
Schule“ kommt dabei natürlich schlecht weg (S. 21). Nach dem hier Aus- 
geführten zähle ich auch zur bayerischen Schule, richtiger gesagt: ich bin der 
Meinung, dass SEYDEL im wesentlichen recht gehabt hat. Nur in zweierlei 
Dingen bin ich nicht mit ihm einverstanden. Das eine ist oben Note 11 
und 12 genügend hervorgehoben worden: SEYDEL hat sich durch CALHouN 
verleiten lassen, aus der Vertragsgrundlage unrichtige, dem Rechtsbestande 
des Reiches nachteilige Folgerungen zu ziehen, solche jedenfalls bis zuletzt 
nicht mit der nötigen Deutlichkeit abgelehnt. Das zweite wird jetzt auch 
klar geworden sein: es war ein Irrtum, wenn SEYDEL glaubte, seine richtige 
Erkenntnis, dass der deutsche Bundesstaat juristisch ein Bund ist, verall- 
gemeinern zu dürfen, und diese Auffassung ohne weiteres auch auf die Union 
und die Schweiz ausdehnte. Dort war sie natürlich leicht zu widerlegen. 
Für das Verständnis des Bundesstaates ist aber die erste Bedingung, dass 
man wohl unterscheide, ob er auf republikanischem oder auf monarchischem 
Boden gewachsen ist, je nachdem müssen die ihm entsprechenden Rechts- 
formen sich ganz verschieden gestalten. 
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