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Felde der allgemeinen Staatslebrre. Hier hatte JoHmann KAsPpAR
BruntscaLi als letzter Mohikaner gehaust, das Erbe einer
reichen Vergangenheit mit treuem Fleisse hütend. Dann ward
es wüst und leer. Am schärfsten bezeichnen wohl GERBERS
Grundzüge den Uebergang von der allgemeinen Staatslehre zum
neu-deutschrechtlichen Positivismus, der mit LABAND seine fast
ausschliessliche Alleinherrschaft antrat. Es ist ganz charakteri-
stisch, dass SEYDELs Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre,
deren Erscheinen in die Anfangszeit der neuen Richtung des
Positivismus fällt, zunächst wenig Beachtung fanden, aber jetzt
nach einem Menschenalter trotz ihrer quantitativen und qualita-
tiven Dürftigkeit weit häufiger citiert werden. 23 Jahre ver-
gingen, bis aus einer, übrigens der SEYDELschen nahestehenden
staatsrechtlichen Richtung abermals eine allgemeine Staatslehre
hervorging. Zeitlich jedenfalls gebührt KonrAp BoRNHAK der
erste Platz unter den neuesten Pflegern der allgemeinen Staats-
lehre, wenn freilich auch hier die eine Schwalbe noch keinen
Sommer machte. Dass aber damit eine Saite angeschlagen war,
auf die der wissenschaftliche Zeitgeist gestimmt ist, hat die Folge
bewiesen. Seitdem ist kaum ein Jahr ohne eine mehr oder
minder erhebliche Produktion auf diesem Gebiete vergangen.
Einigermassen abseits von der wissenschaftlichen Entwicklungs-
reihe steht GumpLowıczs allgemeines Staatsrecht als warnendes
Exempel, wie ein scharfer und ehrlich strebender Geist durch
masslose Eigenbrödelei in wissenschaftlichen Nihilismus verfällt
und damit unfruchtbar wird. In gewissem Sinne einen Gegen-
satz dazu bildet Rosıns kleiner Essay, der die Grundzüge einer
allgemeinen Staatslehre aus den Reden BismArcKs destillieren
will; immerhin ein bezeichnendes Sympton für den neuen
wissenschaftlichen Geist insofern, als hier der grosse Realist
der praktischen Politik, dessen Wirken und Werke von so
entscheidendem Einfluss auf den Sieg des staatsrechtlichen
Positivismus in der deutschen Wissenschaft gewesen sind, als