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formell und ausschliesslich beherrscht wird. Ob und wie sich
auf diesem Wege die Staatstheorie — von der Staatspraxis ganz
zu schweigen — weiter entwickeln kann, soll hier nicht erörtert
werden.
Nun tritt aber die neueste Erscheinung auf unserem Gebiete
in denkbar schroffsten Gegensatz gerade zu dieser neuen Rich-
tung. ANTON MENGERSs neue Staatslehre gehört eigentlich einem
alten wissenschaftlichen Typus insofern an, als sie nichts anderes
als eine Parteidoktrin ist noch sein will. Mit rückhaltloser
Offenheit giebt sie sich als die Staatstheorie einer politischen
Partei, nämlich der modernen Sozialdemokratie; gleich im ersten
Satze der Vorrede proklamiert sie als ihren Zweck, „die prak-
tischen Vorschläge des Sozialismus zur Umgestaltung unserer
Gesellschaft in einem eng begrenzten Gesamtbild zusammen-
zufassen“. Auch so bleibt freilich diese Erscheinung neuartig
genug, wenn auch in anderem Sinne. Zunächst schon nach der
persönlichen Seite hin; denn so reich sich auch die wissenschaft-
liche Litteratur des Sozialismus entfaltet hat, so sind wir doch
wenigstens in deutschen Landen noch nicht daran gewöhnt, offi-
zielle Vertreter der Wissenschaft, ordentliche Meister der aka-
demischen Zunft in ihrem Kreise zu finden. Und wenn man
auch nach MEnGERs früheren Publikationen über seinen prin-
zipiellen Standpunkt kaum in Zweifel sein konnte, so wird doch
sein jetziges energisches Bekenntnis noch vielfach Ueberraschung
und Aufsehen erregen. Es ist daher dieses Bekenntnis jeden-
falls ein Beweis von nicht alltäglichem moralischen Mut; im
übrigen haben wir es hier weder in bonam noch in malam partem
mit der „Gesinnung“ des Autors, vielmehr ausschliesslich mit
seiner wissenschaftlichen Theorie zu thun.
Wenn nun auch eine allgemeine Staatslehre, die eine poli-
tische Parteidoktrin ist und sein will, keinen neuen, sondern
gerade den älteren Typus darstellt, so bringt doch MENGER mit
der Vertretung gerade dieser politischen Parteirichtung ein neues