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Ländern. Denn gerade hier mag man sich dem wesentlich kriti-
schen Sozialismus gegenüber hinter den alten Spruch zurück-
ziehen: Tadeln können auch die Toren, aber besser machen nicht.
MENGER will also nicht nur die bestehende Rechts- und Gesell-
schaftsordnung tadeln, sondern vor allem zeigen, wie es in Zu-
kunft besser gemacht werden kann und soll. „Die entscheidende
Bewährung wird freilich das sozialistische Ideal erst durch seine
vollständige Verwirklichung in einem der grossen modernen Kul-
turstaaten finden.* Aber durch eine streng wissenschaftliche
Methode seines Buches glaubt MENGER, „bis zu einem gewissen
(Grade dasselbe Ziel auf theoretischem Wege erreichen“ zu können.
Hiernach erscheint es begreiflich, dass der orthodoxe Marxis-
mus diesem „Juristensozialismus* recht skeptisch gegenübersteht;
und dass der „Vorwärts“ in dem Buche von MENGER „eine Renais-
sance des utopistischen Sozialismus“ erblickt. In der That kann
sich die Darstellung einer Rechts- und Staatsordnung, wie sie
nie und nirgends ist geschehen, einer ausgeprägt utopistischen
Färbung unmöglich entziehen. Und auch der hofinungsvolle
(lauben an den nunmehr bald bevorstehenden jüngsten Tag
unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung oder, mit MENGER
zu reden, des „individualistischen Machtstaates* ist recht eigent-
lich eine Blüte vom utopistischen Wunderbaume. Dass auch
strengste Marxisten wiederholt den bevorstehenden grossen Klad-
deradatsch prophezeit haben, ja, dass Marx selbst gelegentlich
mit solchen Gedanken gespielt hat, ist kein Gegenbeweis; solche
prinzipwidrigen Seitensprünge erklären sich leicht aus dem Wesen
der politischen Agitation, die sich niemals allein an die logische
Erkenntnis wenden kann, sondern sich stets auch und sogar vor-
nehmlich an den begehrenden Willen wenden muss, der wiederum
des Glaubens an das Herannahen eines tausendjährigen Reiches
bedarf. Aber während dies hier eben Abweichungen von dem
theoretischen Prinzip sind, wird dort das ganze wissenschaftliche
System auf diesen Glauben gegründet.