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oder Beweispflicht der Parteien vertrage sich nicht mit der
Offizialthätigkeit des Gerichts und mit dem Grundsatze, dass
die ganze Verhandlung den wahren Thatbestand ermitteln solle;
nicht anders ist es im Invalidenversicherungsrecht, und 8 17 der
Verordnung, betreffend das Verfahren vor den Schiedsgerichten
für Arbeiterversicherung“!, enthält die Vorschrift, dass das Ge-
richt den zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweis
in vollem Umfange zu erheben habe, ohne Rücksicht darauf,
ob er von den Parteien angetreten worden ist oder nicht.
Man darf annehmen, dass der hier zum Ausdrucke gebrachte
Grundgedanke, dessen Durchführung das Reichsversicherungs-
amt in zahlreichen Erkenntnissen und Verfügungen den Spruch-
behörden eingeschärft hat, nicht minder für die Vorbereitung
der Entscheidungen nach $ 58 Kr.-V.-G. Geltung beanspruchen
dürfe. Es spricht dafür auch der Umstand, dass sich in den
meisten Landesgesetzen über die Gestaltung der Verwaltungs-
rechtspflege die Bestimmung findet, der Verwaltungsgerichtshof
habe den nach seinem Ermessen nötigen Beweis vollinhaltlich
aufzunehmen und müsse die angegriffene Entscheidung aufheben,
wenn die thatsächlichen Voraussetzungen sich als fehlsam erwiesen,
welche den Vorderrichter zu seinem Urteile veranlassten ®?.
Unmöglich kann man glauben, dass die erste Instanz etwa weniger
als die folgende von Amts wegen sich der Sachuntersuchung
widmen solle, oder dass in denjenigen Rechtsgebieten, in welchen
die Krankenkassenstreitsachen von der Aufsichtsbehörde an die
ordentlichen Gerichte als Nachprüfungsstelle gehen, diese wohl-
wollende und dem Geiste der Arbeiterversicherung angepasste
Ansicht keinen Wert habe.
Wenngleich für die eidliche Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen, sowie für die Auferlegung von Eiden an die
#1 Reichsgesetzblatt S. 1017 von 1900.
„Volkstümliche Zeitschrift für praktische Arbeiterver-
sicherung“ Bd. 88. 145 ff.