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ausgehen, dass sich aus den künftigen Zöllen Mehreinnahmen
gegenüber den Zollerträgen der Vorjahre ergeben werden. Die
erwarteten Mehreinnahmen ihrer naturgemässen Verwendung gleich
den übrigen Zolleinkünften zuzuführen, wurde nicht für opportun
erachtet. Am 12. Aug. 1902 wurde vielmehr in der Zolltarif-
kommission der Antrag gestellt, über die zu erwartenden Mehr-
einnahmen aus gewissen Zöllen durch ein besonderes, spätestens
am 1. Jan. 1910 zu verabschiedendes Gesetz Verfügung dahin
zu treffen, dass diese Mehrerträge zur Erleichterung der Durch-
führung der Witwen- und Weaisenversicherung verwendet werden
sollen; mit dieser Anordnung könnte, so bemerkte der Antrag-
steller, „ein alter Wunsch des Volkes und aller Sozialreformer
erfüllt werden“. Schon bei der Bearbeitung des Invalidenver-
sicherungsgesetzes war auf die Notwendigkeit der Errichtung
einer Witwen- und Waisenversorgung hingewiesen worden, und
im Jahre 1900 hat der Reichstag eine Resolution angenommen,
in welcher die Vorlage eines Gesetzes über eine solche Ver-
sorgungsanstalt als wünschenswert bezeichnet war. Die Bundes-
regierungen haben sich diesem Projekt gegenüber keineswegs
ungünstig ausgesprochen gehabt; sie wollten aber eine Verquickung
dieser Materie mit der Zolltarifgesetzgebung vermieden wissen.
Zu Gunsten des Antrages sprach auch nicht der Umstand, dass
nach den Kommissionsbeschlüssen die Erzielung von Mehrein-
nahmen an Zöllen erwartet werden konnte; es kam in Betracht,
dass insbesondere mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage die
Durchführung einer planmässigen Schuldentilgung im Reiche nicht
länger wird hinausgeschoben werden können und dass im Zu-
sammenhang damit an eine Sanierung des Reichsinvalidenfonds
heranzutreten ist. Trotz dieser dem Antrage gegenüber er-
hobenen Bedenken wurde der Antrag angenommen und auch
das Plenum des Reichstages bestand auf entsprechender Ab-
änderung des Zolltarifgesetzes. Ein Grund für die Regelung der
Angelegenheit in der bezeichneten Weise ist ohne Zweifel darin