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stimmungen der Oivilprozessordnung nicht unmittelbare Anwendung finden
können, das Reichsgesetz über freiwillige Gerichtsbarkeit zur Ergänzung
heranzuziehen sei.
Aus den Einzelheiten der Darstellung der materiellen Voraussetzungen
interessieren den Unterzeichneten selbstverständlich vor allem einige Punkte,
in denen der Verf. von der Auffassung des Unterzeichneten abweicht. In
seinem Buche „Von den Pand. z. B. G.-B.“ Bd. IS. 122 hat Unterzeichneter
den vom Verf. sehr richtig hervorgehobenen Satz nicht bestreiten wollen,
dass das Bürgerliche Gesetzbuch seiner Unterscheidung zwischen Geistes-
schwäche und Geisteskrankheit die laienhafte Auffassung des praktischen
Lebens zu Grunde legt, sich also nicht in einen Selbstwiderspruch mit N.3
zu $ 6 seines Handkommentars versetzt; in jenem Buche glaubte Unter-
zeichneter nur diesen vom Standpunkte der Psychiatrie unwissenschaftlichen
und daher den im Entmündigungsverfahren zumeist ausschlaggebenden
psychiatrischen Sachverständigen oft.in Verlegenheit bringenden unwissen-
schaftlichen Ausgangspunkt des Bürgerlichen Gesetzbuchs tadeln zu müssen,
während der Verf. allerdings diesen Vorwurf als ungerechtfertigt ansieht.
Ueberhaupt verfolgt der Verf. die Tendenz, gerade die von seiten der Psy-
chiater vielfach gegen unser gegenwärtiges Entmündigungsverfahren er-
hobenen Bedenken möglichst einzuschränken. Zweifellos ist ihm bei seiner
Betonung der selbständig juristischen Betrachtung des Stoffes darin bei-
zustimmen, dass auf keinen Fall jeder im medizinischen Sinne Geisteskranke
zu entmündigen ist. Aber seine Umkehr dieses Satzes dahin, dass „der
Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche sehr
wohl (auch) ein Mensch unterworfen werden könne, dessen Zustand kein
psychopathologischer ist* (S. 83), dürfte schwerlich die Billigung der Praxis
erlangen. Auch des Verf. gegen meine Ausführungen (Von den Pand. z.
B.G.-B. Bd.I S.126) über die Entmündigung wegen Trunksucht gerichtete
Beweisführung kann mich nicht überzeugen. Obwohl in $ 6 die Gefährdung
der öffentlichen Sicherheit ausdrücklich neben der Unfähigkeit zur Ge-
schäftsführung genannt wird, soll Gemeingefährlichkeit grundsätzlich keinen
Entmündigungsgrund bilden (S. 72 ff... Mit Recht hebt freilich Verf. her-
vor, dass die Frage der Anstaltsdetention Geisteskranker und die Frage
der Entmündigung voneinander wohl zu unterscheiden ist, dass insbesondere
nicht jeder entmündigungsreife Mensch interniert zu werden braucht. Aber
darum ist seine Kritik der Verfügung des preuss. Justizministeriums vom
28. Nov. 1899, derzufolge die Staatsanwaltschaft in allen Fällen, wo die Be-
sorgnis einer ungerechtfertigten Zurückhaltung in einer Anstalt besteht, den
Entmündigungsantrag zu Gunsten des Detinierten stellen soll, um im Falle
der Ablehnung dessen Freilassung zu erzielen, doch nicht berechtigt. Denn
jedenfalls kann niemand, der Herr seiner Handlungen ist, wider seinen
Willen detiniert werden, auch wenn sein Verbleiben in der Anstalt aus
anderen Gründen dringend erforderlich erscheinen sollte (vgl. S. 184).