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gehört, strenge genommen, in das Obligationenrecht nur das durch
die Vormundschaft begründete Verpflichtungsverhältnis, nicht
auch das Vertretungs- und Verfügungsrecht des Vormundes. Aber
noch viel weniger gehört diese letztere Seite der Vormundschaft
in das Familienrecht; ihre eigentliche Stelle wäre im allgemeinen
Teil...* So fügt er auch die Grundsätze über die Begründung
und Beendigung der Vormundschaft hinter die negotiorum gestio
in das Obligationenrecht ein. Jeder, der den dogmatischen Stand-
punkt der Motive des neuen Rechtes für richtig hält, kann be-
urteilen, welch tiefgehender Unterschied die neue Vormundschaft
von vorstehender Auffassung trennt. Sowohl Mandat wie Ge-
schäftsführung erkennen in weitestem Umfange auch im neuen
Rechte die Willensfreiheit der Parteien als Herrin im Reiche
des Privatrechtes an, und wo früher die actio tutelae als actio
bonae fidei das vormundschaftliche Verpflichtungsverhältnis auch
nach WINDSCHEIDS Auffassung dem freien richterlichen Ermessen
unterstellte, herrscht heute eine selbst in hohem Masse durch
das neue Recht gebundene Obrigkeit, nur in Augenblicken der
Gefährdung der Mündelinteressen hat man eine Dehnbarkeit der
Bestimmungen zugelassen, deren Anwendung in anderen Gebie-
ten unbestritten öffentlichrechtlichen Charakters unter Umständen
den grössten Bedenken unterliegen müsste. So passt denn der
scherzhafte, für den ersten Entwurf gegebene Name: „Kleiner
Windscheid* nicht auf das von modernen Anschauungen und
praktischen Erwägungen geleitete Vormundschaftsrecht, wenn man
von der systematischen WındscHueEids Auffassung entsprechenden
Anordnung absehen will, wonach das Vertretungsrecht des Vor-
mundes als äusseres Verhältnis nun im allgemeinen Teil (Titel V)
steht, also getrennt wurde von dem öffentlichrechtlichen inneren
Verhältnisse der Pflegebefohlenen zum Staate, das man an das
Ende des Familienrechtes versetzte.
Der hier gegebene Ueberblick zeigt, in welch weitgehendem
Masse private Dispositionsakte, selbst wenn sie für Private rechts-