— 6 —
Erwägung hinweg, dass das Reich neben dem bürgerlichen Recht
auch für das Verfahren zuständig sei und die Regelung sich
kraft Rechtsnotwendigkeit als Mittel zur einheitlichen
Durchführung des Bürgerlichen Gesetzbuches ergebe. Ohne
Frage lässt dieser rein praktische Standpunkt die nicht bürger-
liche Qualität aller Verfahrens- und organisatorischen Vorschriften
erkennen, mögen sie nun im Bürgerlichen Gesetzbuch oder seinem
Ausführungsrecht stehen. Man verwies ferner auf „den beson-
deren Charakter dieses Gegenstandes“ (IV S. 750) und Rück-
sichten der Zweckmässigkeit. Hieraus ergiebt sich die einwands-
freie Folgerung, dass der Platz im Bürgerlichen Gesetzbuch kein
Beweismittel für den materiellrechtlichen Inhalt der einzelnen
vormundschaftlichen Vorschrift ist. Schon im ersten Entwurfe
waren hiernach der zum formellen Recht neigende Charakter der
Vormundschaft nicht zu leugnen. Ist hiernach öffentliches und
formelles Recht im Gegensatze zum materiellen bürgerlichen
Rechte auf Grund der wiederholten positiven Erklärungen der
Verfasser der Vorarbeiten gleichfalls Bestandteil des Bürgerlichen
(sesetzbuches, so ist die Durchführung des öffentlichrechtlichen
fremden Bestandteiles auch nach der Seite des Kodifikationsprinzipes
möglich und durch positive Bestimmungen bestätigt.
Bei näherer Betrachtung des Kodifikationsgrundsatzes des
Art. 55 E.-G. ist ohne weiteres zuzugestehen, dass nach DroNkEs”
treffender Formulierung das für das Privatrecht geltende Prinzip
der Gesamtkodifikation ausgesprochen ist: die Aufhebung
des Landesrechtes in complexu und die Unzulässigkeit jeder
Neubildung für die Zukunft ist selbst dann anzunehmen, wenn
es bestimmte Einzelfragen betrifft, die das Bürgerliche Gesetz-
buch nicht besonders geregelt hat. Gilt dieser Grundsatz für
alle privatrechtlichen Bestandteile des Bürgerlichen Gesetzbuches,
so ist für das öffentliche in das Bürgerliche Gesetzbuch
” GrucHors Beiträge 1900 8. 405 ff.
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 1. 5