Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

TB 
holt haben. Die organische Theorie steht zu der von ihren Vertretern als 
„individualistisch“ gebrandmarkten Personifikationstheorie auch keineswegs 
in einem so scharfen Gegensatz, als es nach der Lebhaftigkeit der Polemik 
den Anschein hat. Denn auch sie nimmt eine von der Persönlichkeit der 
Einzelnen verschiedene Persönlichkeit der Gesamtheit an, fügt also zu der 
Gesamtzahl der „Gliedpersonen“ noch eine auf einer Denkoperation beruhende 
„Gesamtperson“ hinzu. Wäre der Vorwurf, dass die Rechtssubjektivität der 
Gesamtheit eine „Fiktion“ sei, begründet, so würde er auch die organische 
Theorie treffen; und da jede Person als Trägerin von Rechten und Pflichten 
nur als eine Einheit, als etwas logisch Unteilbares (individuum), von den 
Gliedpersonen begrifflich Verschiedenes gedacht werden kann, so ist auch 
die organische Theorie „individualistisch. Während aber die einfache 
Personifikationslehre ausschliesslich mit Begriffen operiert, welche dem 
Gebiet der Rechtsvorstellungen angehören, bedient sich die organische Staats- 
lehre naturwissenschaftlicher, biologischer, Hilfsvorstellungen, und überträgt 
den von den natürlichen Lebewesen entnommenen Begriff des Organis- 
mus in die von der Rechtsordnung geschaffenen und geregelten Verbände. 
Nach der Ausdrucksweise, welche dieser Anschauung entspricht, ist der 
Staat die oberste Verbandsperson, die Gemeinde Organperson und Glied- 
person des Staates, zugleich aber wieder eine eigene Verbandsperson mit 
Örganpersonen und liedpersonen; und dieses Verhältnis kann durch 
Zwischenbildungen zwischen Staat uud Gemeinde, sowie durch Weiter- 
gliederungen der Gemeinde fast bis in das Unendliche differenziert werden; 
Jeder einzelne Mensch kann Gliedperson und Örganperson von sehr zahl- 
reichen Verbandspersonen sein und jede rechtlich verbundene Gruppe von 
Menschen kann nicht nur selbst Verbandsperson, sondern zugleich Organ- 
person und Gliedperson von anderen (höheren) Verbandspersonen sein. Mit 
der dialektischen Unterscheidung und Verbindung dieser Begriffe wird nun 
das ganze Amtsrecht konstruiert; der Gemeindebeamte ist Gliedperson und 
zugleich Organperson der Gemeinde, welche ihrerseits Glied- und Organ- 
person des Staates ist. Wird der städtische Beamte, wie dies auf dem 
ganzen Gebiet der Polizei dem positiven Recht — und zwar nicht nur 
Preussens — entspricht, als Organperson des Staates verwendet, so ist dies 
eine „Prinzipwidrigkeit“, eine Sünde gegen den heiligen Geist der Selbst- 
verwaltung. Wird der Beamte wegen einer und derselben Handlung straf- 
rechtlich und disziplinarisch verfolgt, so kann der Grundsatz ne bis in idem 
nicht in Frage kommen; denn das eine Mal wird die Gliedperson, das andere 
Mal die Organperson bestraft und was geht es den Beamten als Organ- 
person an, wenn er als Gliedperson eingesperrt wird oder eine Geldstrafe 
erlegen muss ? 
Der Verf. beginnt, um das Amtsrecht des organischen Staats durch 
den Gegensatz klar und anschaulich zu machen, mit dem Amtsrecht des 
absoluten Staates. Das Wesen des letzteren besteht in dem Dienst-
	        
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