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holt haben. Die organische Theorie steht zu der von ihren Vertretern als
„individualistisch“ gebrandmarkten Personifikationstheorie auch keineswegs
in einem so scharfen Gegensatz, als es nach der Lebhaftigkeit der Polemik
den Anschein hat. Denn auch sie nimmt eine von der Persönlichkeit der
Einzelnen verschiedene Persönlichkeit der Gesamtheit an, fügt also zu der
Gesamtzahl der „Gliedpersonen“ noch eine auf einer Denkoperation beruhende
„Gesamtperson“ hinzu. Wäre der Vorwurf, dass die Rechtssubjektivität der
Gesamtheit eine „Fiktion“ sei, begründet, so würde er auch die organische
Theorie treffen; und da jede Person als Trägerin von Rechten und Pflichten
nur als eine Einheit, als etwas logisch Unteilbares (individuum), von den
Gliedpersonen begrifflich Verschiedenes gedacht werden kann, so ist auch
die organische Theorie „individualistisch. Während aber die einfache
Personifikationslehre ausschliesslich mit Begriffen operiert, welche dem
Gebiet der Rechtsvorstellungen angehören, bedient sich die organische Staats-
lehre naturwissenschaftlicher, biologischer, Hilfsvorstellungen, und überträgt
den von den natürlichen Lebewesen entnommenen Begriff des Organis-
mus in die von der Rechtsordnung geschaffenen und geregelten Verbände.
Nach der Ausdrucksweise, welche dieser Anschauung entspricht, ist der
Staat die oberste Verbandsperson, die Gemeinde Organperson und Glied-
person des Staates, zugleich aber wieder eine eigene Verbandsperson mit
Örganpersonen und liedpersonen; und dieses Verhältnis kann durch
Zwischenbildungen zwischen Staat uud Gemeinde, sowie durch Weiter-
gliederungen der Gemeinde fast bis in das Unendliche differenziert werden;
Jeder einzelne Mensch kann Gliedperson und Örganperson von sehr zahl-
reichen Verbandspersonen sein und jede rechtlich verbundene Gruppe von
Menschen kann nicht nur selbst Verbandsperson, sondern zugleich Organ-
person und Gliedperson von anderen (höheren) Verbandspersonen sein. Mit
der dialektischen Unterscheidung und Verbindung dieser Begriffe wird nun
das ganze Amtsrecht konstruiert; der Gemeindebeamte ist Gliedperson und
zugleich Organperson der Gemeinde, welche ihrerseits Glied- und Organ-
person des Staates ist. Wird der städtische Beamte, wie dies auf dem
ganzen Gebiet der Polizei dem positiven Recht — und zwar nicht nur
Preussens — entspricht, als Organperson des Staates verwendet, so ist dies
eine „Prinzipwidrigkeit“, eine Sünde gegen den heiligen Geist der Selbst-
verwaltung. Wird der Beamte wegen einer und derselben Handlung straf-
rechtlich und disziplinarisch verfolgt, so kann der Grundsatz ne bis in idem
nicht in Frage kommen; denn das eine Mal wird die Gliedperson, das andere
Mal die Organperson bestraft und was geht es den Beamten als Organ-
person an, wenn er als Gliedperson eingesperrt wird oder eine Geldstrafe
erlegen muss ?
Der Verf. beginnt, um das Amtsrecht des organischen Staats durch
den Gegensatz klar und anschaulich zu machen, mit dem Amtsrecht des
absoluten Staates. Das Wesen des letzteren besteht in dem Dienst-