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gelegten Gesetzentwurf, der sein Ressort nicht betrifft, nicht mitverantwortlich.
Nach Krause dagegen ist der Beschluss des Kollegiums für alle seine Mit-
glieder bindend, dem Könige kann ein anderer Beschluss als der des Ge-
samtministeriums gar nicht vorgelegt werden und sämtliche Minister sind
für alle dem Landtag vorgelegten Gesetzentwürfe insgesamt verantwortlich,
Ich glaube, dass diese Schlussfolgerungen dem gegenwärtigen preussischen
Staatsrecht nicht entsprechen und auch nicht notwendig durch den Begriff
einer kollegialisch organisierten Behörde gegeben sind und dass man jedenfalls
Inhalt und Umfang der Verantwortlichkeit näher untersuchen müsste, als
beide Verf. dies gethan haben. Laband.
Joh. Bapt. Koch, Nikol. Thaddäus von Gönners Staatslehre,
(Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Jelli-
nek & Anschütz. Bd. IV Heft 1.) Leipzig 1902. 184 8.
Am Ende des 18. Jahrhunderts bereitete der Zusammenstoss der mo-
‘dernen Auffassung des Staates als einer von der Person des Fürsten ver-
schiedenen selbständigen Person des öffentlichen Rechts mit dem absoluten
Fürstenstaat und den Trümmern des Feudalwesens den deutschen Publizisten
grosse Schwierigkeiten. Es war eine Zeit, in welcher der alte Rechtszustand
in Auflösung begriffen und der neue noch nicht konsolidiert nnd durch-
geführt war. Das Naturrecht war abgeblüht und die an seine Stelle ge-
tretenen Ideen der historischen Schule waren für die Dogmatik unfruchtbar;
denn mehr als jemals zuvor hat die Fortentwicklung auf allen Gebieten des
Rechts mit den „gewordenen, geschichtlich begründeten* Rechtszuständen
aufgeräumt und eine „rationelle* Neuordnung geschaffen. Dazu kam, dass
die das allgemeine Staatsrecht beherrschende Lehre Bopms, dass die Souve-
ränität für den Staatsbegriff wesentlich sei, auf das Deutsche Reich und
seine Gliedstaaten nicht durchführbar war. Es ist daher nicht ohne dogmen-
geschichtliches Interesse, zu sehen, wie ein hervorragender Jurist jener Zeit
diese Schwierigkeiten zu überwinden suchte. Dass der Verf. zu diesem
Zwecke GÖöNnnERs Schriften verwendet, war eine gute Wahl; denn GÖNNER
war ein Dogmatiker des positiven Rechts, der weder in das Gebiet politi-
scher Weltverbesserung noch rechtsgeschichtlicher Antiquitätenforschung ab-
irrte, wenngleich er selbstverständlich von den rechtsphilosophischen und
politischen Anschauungen seiner Zeit beherrscht war. Gerade deshalb giebt
seine Darstellung aber kein logisch geschlossenes System, sondern er bricht
den von ihm aufgestellten Prinzipien vielfach die Spitzen ab, um nicht den
positiven Rechtssätzen Gewalt anzuthun. Charakteristisch ist dafür die Art
und Weise, wie er die Staatsgewalt der Landesherren mit seiner Souveräni-
tätslehre in Einklang zu bringen. versucht, sowie dass er den Begriff des zu-
‚sammengesetzten Staates verwirft, ihn aber auf das Deutsche Reich anwendet.