— 147 —
sich, ebenso wie über die Rechte der Privatpersonen, auch über
die vertragsmässigen Rechte der Einzelstaaten hinwegsetzen. Ob
und inwieweit sie dieses tun will, ist eine Frage der Politik. Im
Privatrecht steht man auf dem Standpunkt, dass die Gesetz-
gebung in wohlerworbene Rechte nicht eingreifen und dieselben
nicht ohne Entschädigung aufheben oder beschränken darf. Es
liegt kein Grund vor, diesen Grundsatz auf das Verhältnis der
Reichsgesetzgebung zu den wohlerworbenen Rechten der Einzel-
staaten nicht zur Anwendung zu bringen. Er kann sich aber, wie
im Privatrecht, nur auf Rechte privatrechtlicher Natur, d. h.
Rechte, bei denen es sich um das Vermögen des Staates als
solchem handelt, beziehen. So ist in dem Gesetz vom 11. Juni
1870 dem Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin und dem Her-
zogtum Anhalt für die Aufhebung des Elbzolls eine Entschä-
digung aus den Mitteln des Reiches gewährt. Bei einem Vertrage,
in welchem sich die kontrahierenden Staaten die Befreiung von
Flusszöllen zusichern, handelt es sich nicht um Rechte privat-
rechtlicher Natur, sondern um Massnahmen zur Beförderung des
Handels und des Verkehrs. Ist die Reichsgesetzgebung der An-
sicht, dass es sich im allgemeinen oder in dem überwiegenden
Interesse eines Einzelstaates empfiehlt, diese Vertragsbestimmungen
aufzuheben, so kann der Staat, welcher sich die Freiheit von den
Zöllen hat zusichern lassen, hiergegen ebensowenig Widerspruch
erheben wie Entschädigung beanspruchen, denn ein Vermögens-
schaden ist ihm nicht entstanden. Die Reichsgesetzgebung ist
daher nicht behindert, einem Staate die Ermächtigung zur Er-
hebung von Abgaben auf die Flussschiffahrt zu erteilen, auch
wenn die Einführung derartiger Abgaben mit Bestimmungen eines
Vertrages in Widerspruch steht, den dieser Staat mit einem
andern deutschen Staate geschlossen hat.
Die Reichsgesetzgebung hat in einem Falle einem Staate
die Erhebung von Abgaben von der Schiffahrt auf einem natür-
lichen Wasserlauf gestattet. Durch das Gesetz vom 5. April
10*