Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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mässigen Rechtsordnung ihren Ausdruck. Wohl aber kann sie 
der Grund für die verfassungsmässige Gestaltung des Thronfolge- 
rechtes auch heute noch werden. 
Diese Familienauffassung deckt sich aber mit den nationalen 
Bedürfnissen des deutschen Volkes und des Grossherzogtums. 
Weshalb haben die in Russland ansässigen Mitglieder des Hauses 
Holstein-Gottorp überhaupt verzichtet? Wenn der russische 
Kaiser Thronfolge und Regentschaft des Grossherzogtums nicht 
wohl übernehmen konnte, so war doch das russische Kaiserhaus 
an Mitgliedern zahlreich genug, dass der Verzicht zu Gunsten 
eines jüngeren Grossfürsten und seiner Nachkommen hätte aus- 
gesprochen werden können. Es hätte in diesem Falle nicht ein- 
mal eines besonderen oldenburgischen Verfassungsgesetzes bedurft, 
da die oldenburgische Regierung das Thronfolgerecht des älteren 
Zweiges Holstein-Gottorp stets anerkannt hat. Aber ein solches 
Ergebnis der Thronfolge eines Fürsten fremder Nationalität und 
andern religiösen Bekenntnisses hätte, wie das Beispiel von 
Sachsen-Koburg-Gotha wiederholt gezeigt hat, das nationale 
Empfinden des deutschen Volkes aufs schwerste verletzt. Der 
hochherzige Verzicht des Kaisers von Russland hat daher als 
eine Rücksichtnahme auf die Gefühle des deutschen Volkes und 
als ein Zeichen der guten politischen Beziehungen zwischen 
Deutschland und Russland sympathische Anerkennung gefunden. 
Nun ist aber die Ehe des Hauptes der Sonderburg-Augusten- 
burger Linie, des Herzogs Ernst Günther, kinderlos, die nächste 
Linie des Prinzen Christian ist englisch geworden. Es hätte also 
die Gefahr bestanden, dass die Thronfolge statt an einen Russen 
an einen Engländer gefallen wäre. Das konnte nicht der Zweck 
des russischen Verzichtes sein. 
Wie stark diese politischen Gründe sein mögen, so fragt es 
sich doch, ob die Gesetzgebung ihnen Geltung verschaffen darf 
ohne Zustimmung der nach agnatischem Rechte zunächst be- 
rufenen Linie Augustenburg. Das heisst mit andern Worten: 
Archiv für öffentliches Recht. XIX. 2. 15
	        
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