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gemeineren Bedeutung für die Anwendung und Weiterentwicklung der
Kapitulationen zu würdigen, hat sich die vorliegende, mit anerkennenswerter
Genauigkeit und Sachkenntnis verfasste Schrift zur Aufgabe gestellt. Die
Aufgabe ist eine recht dankbare, da der behandelte Gegenstand vielfaches
wissenschaftliches Interesse bietet. Verf. geht historisch vor; in einem ersten
Kapitel wird der Rechtszustand vor dem Kriege, also die Entstehung der
griechischen Exterritorialität in der Türkei (Londoner Protokolle von 1830,
Vertrag von Konstantinopel vom Jahre 1832), der griechisch-türkische
Handels- und Konsularvertrag von Kalindja (1855), die Anwendung der
Kapitulationen seitens der griechischen Behörden und die dabei gegenüber
der türkischen Regierung entstandenen Konflikte besprochen. Das Kapitel
schliesst mit den Verhandlungen und dem Zustandekommen des Präliminar-
friedens von 1897, in welchem, wie bekannt, entgegen den Prätentionen der
Türkei, im Prinzip das Weiterbestehen der Kapitulationen Griechenland
gegenüber stipuliert wurde, dabei aber einiger Spezialpunkte Erwähnung
geschah, die zu „missbräuchlicher Anwendung“ seitens der griechischen Kon-
sularbehörden Raum gegeben hatten und die in dem abzuschliessenden Kon-
sularvertrage einer von den Kapitulationen abweichenden besonderen Regelung
unterworfen werden sollten.
Das zweite Kapitel weiht uns ein in die Kommissionsverhandlungen
zwischen den beiden Parteien und zeigt uns die Resultate der Kommissions-
arbeiten, die in der Hauptsache eigentlich nur zur Feststellung der Divergenzen
geführt haben.
Im dritten Kapitel werden eingehend und systematisch die einzelnen
Punkte, über die die Vertreter der Grossmächte zu entscheiden hatten, be-
handelt; und zwar zunächst die zwei allgemeineren Fragen von der Grund-
lage und der Dauer der Konvention, dann die persönlichen Privilegien der
Konsuln auf Grund der Exterritorialität und die Steuerbefreiung der Griechen
in der Türkei, die Zuständigkeit und die Attributionen der Konsulen auf den
verschiedenen Gebieten, insbesondere ihre aussergerichtlichen und gericht.
lichen Funktionen in Zivil- und Strafsachen.
Wie Verf. richtig hervorhebt, ward den Vertretern der Grossmächte
eher eine legislatorische als eine richterliche Aufgabe anheimgestellt; sie
entledigten sich derselben mit vielem Takt und in getreuer Ausführung der
in dem Präliminarfrieden enthaltenen Grundgedanken. Freilich mögen sie
hie und da über die eine oder andere Spezialfrage hinweggeglitten sein;
doch darf man nicht vergessen, dass ihre Lage als Schiedsrichter durch den
Umstand ganz besonders erschwert ward, dass manche der aufgeworfenen
und von ihnen zu entscheidenden Fragen sich auf Punkte bezogen, die in
der Interpretation der Kapitulationen zwischen den Grossmächten selbst und
der türkischen Regierung von jeher strittig gewesen sind. Es kann natür-
lich in dieser kurzen Anzeige auf die Einzelheiten des Schiedsspruches nicht
eingegangen werden. Man weiss, wie durch den Schiedsspruch im grossen