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die Verf. darüber anstellt, ob das auf Grund des Spieles Geleistete zurück-
gefordert werden dürfe (S. 55 bis 84). Verkehrt und unmoralisch findet
er die in Deutschland (8 762 BGB) wie in Frankreich ($ 1965 Code Nap.)
anerkannte Regel, wonach der Verlierer die Leistung nicht rückfordern kann,
die er zur Erfüllung seiner Schuld gemacht hat. Verf. neigt dem System
zu, welches vor einigen Jahren im belgischen Parlament durch LEJEUNE
talentvoll, doch erfolglos, verteidigt worden ist, das dem verlierenden Teil,
wie in Dänemark, ein abgeschwächtes Zurückforderungsrecht (r&petition
mitigee) verleiht, d. h. ein Zurückforderungsrecht, welches nur während
kurzer Zeit und von bestimmten Personen ausgeübt werden darf.
Der zweite, bei weitem der wichtigste Teil des anregenden Buches
behandelt das Börsenspiel (8. 97 bis 234). Verf. zeigt hier den mannig-
fachen Wandel der Grundanschauungen, die in Gesetzgebung und Judikatur
früher beim Termingeschäft den Spieleinwand wirksam zuliessen, während
die neue Richtung zur Ausschaltung jenes Einwandes führte. Die Aus-
führungen VERCAMERS bewegen sich auf einer breiten Basis sorgfältiger Ver-
gleichung der Gesetzgebungen aller in Betracht kommenden Kulturstaaten.
Was das deutsche Börsengesetz von 1896 betrifft, scheint Verf. zu
wenig Wert auf die Lehren und die Rechtsprechung der letzten Epoche
zu legen; der soziale und gesetzespolitische Standpunkt wird, wie über-
haupt im ganzen Werke, so auch hier nicht immer angemessen gewürdigt.
Das französische Gesetz von 1885 wird heftig angegriffen, oder besser
die Auslegung desselben, wie sie in der Judikatur des Kassationshofs sich
herausgebildet hat. Nach dieser Auslegung wird bekanntlich der Spiel-
einwand aus den Rahmen des Terminverkehrs überhaupt ausgeschlossen und
die gesetzliche unwiderlegliche Vermutung begründet, die in der Gestalt von
Termingeschäften abgeschlossenen Verträge seien immer auf Effektiverfüllung,
nicht auf reine Differenzzahlung gerichtet (s. das Urteil des Kassations-
hofs vom 19. März 1900, Dalloz 1901, I 439). Nach der Ansicht des Verf.
hat die französische Rechtsprechung das Gesetz völlig entstellt; nie hätte
nämlich der Gesetzgeber den Richtern das Recht, die Absicht der Parteien
zu erforschen, den Parteien das Recht, die Ernsthaftigkeit des Geschäfts
zu erörtern und den Spieleinwand zu erheben, abnehmen wollen.
Verf. begnügt sich nicht, Kritik zu üben; er bringt auch eigene Vor-
schläge. Er unterscheidet zwischen Termingeschäften in Wertpapieren oder
in Waren. Lautet der Vertrag auf Lieferung von Wertpapieren, so ist
er als Spiel anzusehen. „Wir halten es für unannehmbar, dass man dazu
ermächtigt sei, Wertpapiere zu verkaufen, die man nicht besitzt, die man
nicht zu liefern beabsichtigt, die vielleicht überhaupt nicht existieren; in
solchen Geschäften können wir nichts anderes als Börsenspiele erblicken;
und das einzige Mittel, dieselben auszurotten, scheint uns darin zu bestehen,
dass man jeden Anspruch jedem Vermittler verweigert, der das Geschäft
abgemacht hat, ohne die Papiere in seinem Besitze zu haben“ (S. 235).