— 348 —
in die Beratungsanstalten verteilte. Ich wende mich nach dieser
Betrachtung der Ursachen des Kampfes zwischen den Kranken-
kassen und Aerzten zunächst zur Prüfung der Frage, ob die
Forderungen der Aerzte gerechtfertigt sind oder nicht, ob
und in welcher Form sie bewilligt werden können.
Der Begriff der „freien Arztwahl“ ist zum Schlagwort
geworden und doch ist sein Sinn keineswegs scharf umgrenzt, ja
er wird von verschiedenen Seiten verschieden ausgelegt. Meinem
Dafürhalten nach wird man das Richtige am ehesten treffen, wenn
man ihn von zwei Seiten betrachtet, von der Seite der Kranken
und derjenigen der Aerzte. Wie in der menschlichen Gesell-
schaft überhaupt jedem Kranken oder demjenigen, der für den
Kranken zu sorgen hat, freisteht, den Arzt, dem er sein Ver-
trauen schenken will, aus den zu Gebote stehenden auszuwählen,
so ist dies auch das Ideal für die Kassenkranken und bedeutet für
sie zweifellos die beste ärztiiche Fürsorge. Dies setzt aber voraus,
dass den Kassenkranken auch wirklich alle im Kassenbezirke oder
der Gemeinde vorhandenen Aerzte zur Verfügung stehen. Solches
ist indessen nur dann der Fall, wenn jeder Arzt des Kassen-
bezirks von der Kassenverwaltung unbehindert zum Kassendienste
zugelassen ist. Und dies ist die andere Seite der freien Arztwahl.
Man kann mithin den Begriff der freien Arztwahl dahin festlegen:
„Freie Arztwahl enthält für das Kassenmitglied das unbeschränkte
Recht, sich bei Krankheit einen der im Kassenbezirke tätigen
approbierten Aerzte nach freier Wahl auszusuchen, um sich oder
seine Angehörigen von demselben behandeln zu lassen.“
Das Krankenversicherungsgesetz hat sich, wie schon an-
gedeutet, von Anfang an auf den Standpunkt der freien Arzt-
wahl der Versicherten gestellt; das geht schon daraus hervor,
dass erst durch die in späteren Novellen hinzugekommenen $ 6a
Zift.6 und $ 26a Ziff. 2b als Ausnahmen von dieser, weil für
selbstverständlich gehalten, ursprünglich nicht besonders hervor-
gehobenen Regel die statutarische Ermächtigung der Kranken-