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S. 44 behauptet der Verf, dass es nur staatliche Rechtssätze gebe.
Selbst die Statuten der Gemeinden seien keine Rechtssätze, die Gerichte
brauchen sie nicht von Amts wegen zu kennen bzw. zu ermitteln.
Um die Unrichtigkeit dieser Behauptung darzutun, brauche ich beispiels-
weise nur auf $ 109 HGB zu verweisen. Danach richtet sich das Rechts-
verhältnis der Gesellschafter untereinander zunächst nach dem Gesellschafts-
vertrage und erst dann, wenn durch den Gesellschaftsvertrag nichts anderes
bestimmt ist, nach den Vorschriften der $$ 110—122 HGB. Die Vorschriften
des Gesellschaftsvertrages werden hier den staatlichen Vorschriften nicht nur
gleichgestellt, sondern vorgezogen. Es sind Rechtsvorschriften und der
Richter hat sie von Amts wegen zu ermitteln.
Und nun zum Tatbestand. Hier weiss uns der Verf. nichts zu be-
richten über die öffentlichen Willenstatbestände im Gegensatze zu den pri-
vaten, von den personalen und realen Zuständen und Ereignissen, über den
Unterschied zwischen dem Entstehungs- und Erwerbstatbestand, dem Unter-
gangs- und Verlusttatbestand, vom Haupttatbestand im Gegensatze zum
Voraussetzungs- und Nebentatbestande, von objektiv und subjektiv wirkenden
Tatbeständen, von den Organisationen der Tatbestände in Tatbestandsver-
bindungen und Verbindungstatbeständen, in Vorbereitungs- und Ausführungs-
tatbeständen und in Doppeltatbeständen.
Wie wichtig für die Wissenschaft es ist, scharf zwischen den drei Rechts-
elementen zu unterscheiden, beweist die Behauptung des Verf. auf S. 36,
dass auch das Gesetz eine rechtsbegründende oder juristische Tatsache sei.
Ein Gesetz, das Rechtsnormen enthält, d. h. ein Gesetz im materiellen Sinne,
kann nie eine juristische Tatsache sein.
Beim dritten Rechtselement vermissen wir die Darstellung des Reclhts-
verhältnisses im objektiven Sinne, welches sich in ein personales und reales
spaltet. Aus letzterem gehen die subjektiven Rechte hervor; sie sind also
eine sekundäre Erscheinung. Daher sollte ein System der allgemeinen Rechts-
lehre das Rechtsverhältnis im objektiven Sinne vor den subjektiven Rechten
darstellen. Es gibt wohl Rechtsverhältnisse in objektivem Sinne (Rechts-
lagen!) ohne subjektive Rechte, wie die personalen Rechtsverhältnisse, nie
aber subjektive Rechte ohue ein zu Grunde liegendes reales Rechtsverhältnis
in objektivem Sinne. Dem Verf. ist es nicht entgangen, dass auch die
! So nennt sie jetzt J. KoHLER in seinem Lehrbuch des Bürgerlichen
Rechts 8 49 £.
® S. 50 sagt er: „Man braucht nicht zu fingieren, die Verbände seien
etwas wie ein Meusch, um ihre Persönlichkeit zu rechtfertigen; und wenn
man gleichwohl diese Fiktion vornimmt, so hat man nichts davon, da mit
der biologischen Tatsache, dass jemand ein Mensch ist, die Tatsache, dass
er eine Persönlichkeit habe (juristische, moralische oder dergl.), in keinem
notwendigen Zusammenhange steht.“