Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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Staatsgewalt, die als Ordnung selbstverständlich immer irgendwie zugleich 
eine „Selbstbeschränkung* des Souveräns bedeutet, der sich daran hält, 
dann hat die Landsgemeinde allerdings von Anfang an solche Ordnungs- 
elemente nötig — aber der Fürst für sich und seine Gehilfenschaft nicht 
auch ? 
Ganz Rousskau ist Verf. dagegen im zweiten Punkt: durch Referen- 
dum und Initiative muss das Volk unmittelbar an der Verfassungsgesetz- 
gebung beteiligt werden, sonst ist's keine Volkssouveränität, keine demo- 
kratische Republik. Wo man bloss Wahlrechte des Volkes kennt, ist diese 
eine „leere Phrase, eine praktisch wertlose Fiktion“ (S. 205, 206), der 
Ausdruck „Repräsentativ Demokratie“ enthält eine contradictio in adjecto 
(S. 220). Das muss insbesondere dem Ausland gesagt sein, „das ja wohl 
Republiken, aber noch keine auf wirklicher Volkssouveränität ruhenden 
Staaten kennt* (S. 271). Das scheint mir denn doch allzu exklusiv zu sein. 
Die rechtliche Stellung der Landsgemeinde vervollständigt sich noch 
durch die notwendige Auseinandersetzung mit der Eidgenossenschaft. 
„Es gibt in der Schweiz nur Einen souveränen Staat, die Eidgenossenschaft“ 
(S. 219). Entscheidendes Merkmal ist die Kompetenz-Kompetenz. „Diese 
Kompetenz-Kompetenz, wiederum eine begrifflich unbeschränkbare Grösse, 
die dem Deutschen Reiche abgeht, besitzt die schweizerische Eidgenossen- 
schaft seit 1848* (S. 218). Wenn Verf. dieses Urteil über das Deutsche 
Reich einzig auf Art. 78 Abs. 2 RV stützen will (S. 219 Note 1), so 
scheint das vielleicht etwas kleinlich. Aber immerhin ist auch diese Be- 
stimmung ein Ausfluss der ganz andern Stellung, welche in Deutschland die 
Staaten einnehmen. Verf. ist sich des wahren Grundes dieses Gegensatzes 
wohl bewusst. „Souverän des Bundes“, sagt er, „ist das Gesamt-Schweizer- 
volk.*“ Die Kantone wirken bei der Verfassungsgesetzgebung „nicht als 
Einzelstaaten“ mit; „das Standesmehr ist nur als Potenzierung der Mehr- 
heit des Schweizervolkes zu betrachten“; die Abstimmung der Kantone „ist 
eine Aeusserung des Willens der Persönlichkeit des Gesamtstaates“ — 
sagen wir: nur eine andere Form, in welcher der eine grosse Souverän, das 
Schweizervolk, sich äussert. 
Mit diesen Grundanschauungen zieht sich Verf. auch aus einem 
Dilemma, das auf den ersten Blick schlimm genug ist. Die Kantone sind 
nach dem Gesagten nicht souverän. Was ihnen zukommt, ist lediglich 
Autonomie, ihr höchstes Organ „kann man zwar nicht souveränes, aber 
autonomes Organ nennen* (S. 219). Aber wie kann dann die Lands- 
gemeinde der Ausdruck der Volkssouveränität sein? und warum sprechen 
die Kantonsverfassungen und Art. 3 der Bundesverfassung von der Souvc- 
ränität der Kantone, von der Volkssouveränität in den Kantonen? Verf. 
meint, sie enthalten „die praktische Wahrheit, dass das Volk, die höchste 
Gewalt, der Träger der Autonomie der Kantone ist“ — sagen wir: im 
Kanton erscheint wieder nichts anderes als ein Stück jenes souveränen
	        
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