Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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noch in weit höherem Grade bei den gegenwärtigen Vorschlägen 
der Fall sein, die bedeutend weiter gehen, deren Verfasser über- 
dies nicht entfernt jenes Mass von Sachkunde und Erfahrung zu 
Gebote steht, welches erforderlich ist, um eine so schwierige Auf- 
gabe in wirklich befriedigender Weise zu lösen. Ich bin mir auch 
vollkommen bewusst, dass die vorliegende Skizze — denn nicht 
mehr will mein Entwurf sein — weit entfernt davon ist, eine 
brauchbare Lösung zu enthalten. Wenn ich dennoch den Versuch 
unternahm, so geschah es, weil erfahrungsgemäss durch eine posi- 
tive Unterlage, mag sie auch noch so verfehlt sein, die öffent- 
liche Erörterung einer Frage weit besser in Fluss kommt, als 
durch die besten theoretischen Ausführungen; es wäre schon ein 
grosser Erfolg dieser Arbeit, wenn Berufenere als ich meine Vor- 
schläge dazu benützen würden, nicht, wie es bisher geschah, ein 
Eingeborenenstrafrecht in allgemeinen Ausführungen in Bausch 
und Bogen zu verwerfen, sondern jeden einzelnen Paragraphen 
auf seine Brauchbarkeit zu prüfen und ihn durch andere bessere 
Vorschläge zu ersetzen. Wenn dann auch von meinem Entwurf 
kein Stein auf dem andern bleibt, so hat er auf diese Weise 
dennoch seinen Zweck erfüllt. 
Das grösste sachliche Bedenken, welches gegen die Schaf- 
fung eines Eingeborenenstrafrechts geltend gemacht werden kann, 
ist zweifellos die ungeheure Verschiedenheit, welche in den kul- 
turellen Anschauungen und der Bildungsstufe zwischen den An- 
gehörigen der verschiedenen farbigen Rassen besteht. Denn ich 
verkenne nicht, dass in der Kolonie der Schwerpunkt der Recht- 
sprechung auf der Fühlung des Richters mit dem Volke weit 
mehr noch wie im Mutterlande beruht, im besonderen der straf- 
rechtliche Zweig der Rechtspflege kann seiner Aufgabe, die Be- 
völkerung zu erziehen, nur gerecht werden, wenn er die Fühlung 
mit dem Volksrecht nicht verliert. Die Gefahr einer starren 
Schablonisierung, wie sie jedes geschriebene Recht mehr oder 
minder in sich birgt, zu vermeiden, ist hier das wichtigste und
	        
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