Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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zugleich schwierigste Problem, — für alle jene Tatbestände, bei 
welchen Sitte und Religion eine Rolle spielen, kann von einer 
übereinstimmenden Regelung für unseren gesamten kolonialen 
Besitz jetzt so wenig wie in Zukunft die Rede sein®, Hier soll 
das künftige Kolonialstrafrecht nur den Rahmen schaffen, dem 
durch Lokalverordnungen der Gouverneure erst Leben und In- 
halt verliehen wird, die hier in Betracht kommenden Rechts- 
verhältnisse müssen, wo es not tut, nicht allein für jedes Schutz- 
gebiet, sondern für jede einzelne Klasse von Farbigen besonders 
geordnet werden. Wenngleich nun, wie ich bereits im ersten 
Teile mich bemüht habe darzutun, es verhältnismässig nur wenige 
und eng begrenzte Gebiete sind, die hier in Betracht kommen, 
so liegt doch gerade in der sachgemässen Ausfüllung dieser 
Plangettbestimmungen der juristisch wie politisch schwierigste 
Teil der künftigen Arbeiten beschlossen. Und gerade hier stellt 
sich, wenigstens zur Zeit noch, der Lösung der Aufgabe eine 
grosse Schwierigkeit entgegen: es fehlt fast vollständig an Vor- 
arbeiten über die Rechstsanschauungen der Eingeborenen. Wäh- 
rend beispielsweise Japan bereits ein Jahr, nachdem es die Ko- 
lonisierung Formosas begonnen hatte, eine systematisch geordnete 
Sammlung des einheimischen Rechtes der Oeffentlichkeit übergab, 
sind die Mitteilungen, die aus unseren Schutzgebieten nach 
® Das gleiche gilt für den Strafvollzug, der zweifellos nur durch lokale 
Verordnung geregelt werden kann. Von dem kolonialen Mitarbeiter der 
„Kölnischen Zeitung* wird der Ansicht Ausdruck gegeben (Nr. 499, 1904), 
dass auch das Rechtsmittelverfahren eine einheitliche Regelung nicht zulässt. 
Diese Anschauung befindet sich im Einklang mit den von mir auf S. 78 
mitgeteilten Erwägungen, für gewisse Klassen von Farbigen, die sich durch 
besonders hoch entwickeltes Rechtsgefühl auszeichnen, die Berufung einzu- 
führen. Dies würde jedoch kein Hindernis sein, es zunächst in allen Schutz- 
gebieten bei der heute üblichen Bestätigung der Urteile durch den Gouver- 
neur zu belassen, dagegen scheint es nicht unzweckmässig, einzelne höher 
kultivierte farbige Völker (wie dies ja teilweise bereits geschehen ist) über- 
haupt der Eingeborenengerichtsbarkeit wenigstens in bestimmten Richtungen 
zu entziehen. Vgl. hierzu unten S. 436f. 
29*
	        
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