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in seinem Dresdner Vortrag‘ mitteilt, das Bedürfnis nach einer
Art höherer Eingeborenengerichtsbarkeit geltend gemacht. Auch
dieser Gedanke findet in Niederländisch Indien bereits seine Ana-
logie, es werden dort dem für Eingeborene geltenden Rechte
nur die in der Kolonie geborenen Farbigen unterstellt, während
für fremde Farbige das holländische Gericht zuständig ist,
welches mit Ausnahme des Personen- und Erbrechts seiner Ent-
scheidung die holländische Gesetzgebung zu Grunde legt.
Sollte die Herbeiführung eines ähnlichen Rechtszustandes
auch für unser ostafrikanisches Schutzgebiet wünschenswert sein,
so würde ja $ 4 Schutzgebiets-G hierzu eine vollkommen aus-
reichende Handhabe bieten, es wären eben einfach die höher
entwickelten farbigen Klassen insoweit dem für Weisse geltenden
Recht zu unterstellen, als diese ihre Bildungsstufe angemessen
erscheint®. Eine Differenzierung in der Bestrafung entspricht
schon dem heutigen Rechtszustand, welcher bekanntlich die Voll-
streckung der Prügelstrafe Arabern und Indern gegenüber aus-
schliesst.
den Mitteilungen der internationalen kriminalistischen Vereinigung Bd. XI
S. 577 ff., hier S. 589.
* Vgl. ZIEGLER a. a. O. S. 589.
5 Oberrichter ZıEsLER (a. a. O. S. 589 ff.) macht den Vorschlag, den
höher entwickelten Farbigenklassen gegenüber die Aburteilung schwererer
Straftaten dem Richter für die europäische Gerichtsbarkeit zu übertragen
und begründet diesen Vorschlag in höchst beachtenswerter Weise wie folgt:
„Eine derartige Vereinigung von Europäer- und Eingeborenenjustiz
in der Hand desselben Richters ist auch um deswillen angezeigt, weil
der Richter über die Europäer für seine Rechtsprechung der Kenntnis
der besonderen Landesverhältnisse und der Rechtsverhältnisse der Ein-
geborenen ebenso bedarf, wie der Eingeborenenrichter der Kenntnis des
deutschen Rechtes, welches auf alle Fälle die wichtigste Rechtsquelle
auch für den Eingeborenenrichter bleibt, weil ferner bei aller Ver-
schiedenheit der Europäer und Eingeborenenrechtssprechung doch auch
gewisse einheitliche Grundgedanken die gesamte Rechtsprechung leiten
müssen.“