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gewidmet, diesen Besitz zu erwerben und politisch zu konsoli-
dieren, es ist Zeit geworden, nunmehr nach einem einheitlichen
Plane auch die friedlichen Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Die erste, notwendigste Grundlage für die gedeihliche Ent-
wicklung der Kolonie ist aber die Ordnung der Rechtspflege in
den neu besiedelten Gebieten. Es hat ja allerdings an Ver-
suchen in dieser Richtung von Anfang an nicht gefehlt — die
bis jetzt erschienenen sechs Bände der deutschen Kolonialgesetz-
gebung von RIEBOW-ZIMMERMANN sind ein beredtes Zeugnis
dessen — aber es sind eben Experimente geblieben, die sowohl
durch die grosse Zahl als auch die bunte Mannigfaltigkeit der
darin zum Ausdruck gekommenen Gesichtspunkte keineswegs
geeignet erscheinen, etwas anderes als die Grundlage, die Vor-
versuche für die kommende Regelung zu bedeuten. Freilich, in
vielen und wesentlichen Punkten dürfen wir diese Vorversuche
noch nicht einmal als abgeschlossen ansehen, immerhin sind zwei
grosse Rechtsgebiete heute reif für eine umfassende Regelung:
einmal die gesamten zivil- und strafrechtlichen Verhältnisse der
Europäer nach der prozessualen sowohl wie nach der materiellen
Seite, dann aber Strafrecht und Strafprozess im Verfahren gegen
Eingeborene — die Regelung des Zivilrechtes, soweit Ein-
geborene in Frage kommen, ist bei der grossen Verschiedenheit
der beteiligten Rechtsordnungen, bei der zum Teil hochentwickel-
ten Rechtskultur besonders der muhammedanischen Stämme heute
noch nicht spruchreif und bedarf zur Vorbereitung noch weit
mehr als bisher des Eindringens europäischer Rechtsanschauungen
in alle Schichten der eingeborenen Bevölkerung.
Die Rechtsverhältnisse der Weissen in unsern Schutzgebie-
ten sind von berufenen Kennern des kolonialen Rechtes de lege
lata und de lege ferenda auf das eingehendste erörtert, ich ver-
weise insbesondere auf das 1901 in neuer Bearbeitung erschienene
grundlegende Werk von Prof. von STENGEL, Die Rechtsverhältnisse
der deutschen Schutzgebiete, und auf die jüngste Broschüre von
Archiv für öffentliches Recht. XIX. 1. 3