—_ 34 —
KÖBNER, Die Organisation der Rechtspflege in den Kolonien
(Berlin 1903), sie bieten auch, wenigstens in materiell-rechtlicher
Beziehung, weit geringeres Interesse als die Rechtsbeziehungen
der Eingeborenen, weil hier, soweit irgend tunlich, immer die
analoge Anwendung des im Mutterlande geltenden Rechts oberster
Grundsatz bleiben muss und somit nur die durch die besonderen
Verhältnisse des Schutzgebietes etwa gebotenen Abweichungen
zur Diskussion stehen.
Nicht das gleiche gilt für die Schaffung eines Strafrechtes
für die Eingeborenen. Allerdings finden wir auch in strafrecht-
licher Beziehung vielfach, so in China, in ganz Ostafrika eine
alte Rechtskultur mit zum Teil tief eingewurzelten gewohnheits-
rechtlichen Normen, aber ihnen gegenüber sind die Aufgaben
des kolonialen Gesetzgebers vollkommen andere als im Zivilrecht.
Während hier im Interesse des friedlichen Fortbestandes aller
bestehenden Beziehungen nur in der schonendsten Weise vor-
gegangen werden darf, und ein langsames Eindringen unserer
rechtlichen Anschauungen viel wertvoller ist, als gesetzgeberische
Massnahmen, ist es die Aufgabe des Strafrechtes, so rasch
und so wirksam als möglich allgemein verbindliche Normen zu
schaffen und das Bestehende nur insoweit unangetastet zu lassen,
als es mit unsern moralischen und ethischen Anschauungen ver-
einbar erscheint, oder durch Gebote politischer Klugheit unab-
weisbar erfordert ist.
„La confection d’un code penal & l’usage des indigenes
B’impose des que la colonie est fond&e.*
Dies einer der ersten Leitsätze, welche A. GIRAULT, ein treff-
licher Kenner französischen Kolonialrechtes, im Jahre 1900 dem
congr&ös de sociologie coloniale vorlegte, und in der Tat wird
eine frühzeitige Regelung vor allem des Strafrechtes in den Ko-
lonien die wertvollste soziale Massregel sein, die wir besitzen,
um das Eindringen unserer Zivilisation vorzubereiten. Die Ein-
geborenen sind Kinder — sie müssen erzogen werden durch Ver-