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bote und Strafen. Diese Erziehung, die Aufgabe, „den Ein-
geborenen Achtung vor fremder Persönlichkeit und fremdem Eigen-
tum beizubringen, sie an die Befolgung der Gebote und Verbote
eines ihnen bisher unbekannten Staatswillens zu gewöhnen“ (aus
einem Bericht des kaiserlichen Bezirksrichters in Duala an das
Auswärtige Amt vom 5. Juli 1901) ist der nächste Zweck des
kolonialen Strafrechts; vor dieser eminent politischen Aufgabe
müssen alle andern Theorien über den Strafzweck zurücktreten.
Auffallenderweise ist dieses Thema bis jetzt in der wissen-
schaftlichen Behandlung des Kolonialrechtes allenthalben nur
ganz kurz gestreift worden, die eingehenden und gründlichen Vor-
arbeiten, welche die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes
ım Jahre 1896 in Angriff genommen und bis heute fortgesetzt
hat, sind bisher in der Oeffentlichkeit nicht bekannt geworden.
Dank dem überaus gütigen Entgegenkommen der Kolonialabtei-
lung war ich in der Lage, sie für den dritten Teil zu benützen
und demselben dadurch eine wertvolle Grundlage zu geben. Der
erste Teil dieser Abhandlung hat sich eine zusammenfassende
Darstellung des gegenwärtigen in unsern Schutzgebieten gelten-
den Rechtszustandes in strafrechtlicher Beziehung zur Aufgabe
gestellt, während im zweiten die bezüglichen Rechtsverhältnisse
in den Kolonien der andern Staaten in Kürze behandelt werden,
im dritten endlich stehen die Aufgaben der künftigen Gesetz-
gebung an der Hand der im Kolonialrat ausgearbeiteten Ent-
würfe zur Erörterung.
I. Kapitel. Das geltende Recht.
$1. Die Organe der Eingeborenen — Strafgesetzgebung®.
Die grosse Verschiedenheit, die in Religion, Kultur und
Rasse zwischen den Ureinwohnern des Landes und den weissen
Kolonisten besteht, hat weitaus in den meisten Rechtsverhält-
° Vgl. Benpix, Die rechtliche Natur der sog. Oberhoheit in den deut-
schen Schutzgebieten. Kolonialjuristische und politische Studien (1903).
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