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Der einzige gesetzliche Titel, auf welchen sich die landesherr-
lichen Befugnisse des Kaisers in den Kolonien stützen, ist aber
eben dieser $& 1, da die Reichsverfassung auf die Schutzgebiete
zweifellos keine Anwendung leidet; es ist somit der Kaiser in
den Schutzgebieten der Träger der vollen, an keinerlei Mitwir-
kung von Reichstag oder Bundesrat geknüpften Souveränität,
soweit er nicht einzelne Bestimmungen in freiwilliger Selbst-
beschränkung an die gesetzgebenden Faktoren des Reiches ge-
bracht hat. Dies ist, was die Rechtsverhältnisse der Eingebo-
renen anlangt, nicht geschehen, ihnen gegenüber ist der Kaiser
als Gesetzgeber unbeschränkt, die Regelung ihrer gesamten Rechts-
beziehungen ist kaiserlicher Verordnung vorbehalten.
Dieses Recht wurde durch kaiserliche Verordnung vom
25. März 1896 in Ansehung der Gerichtsbarkeit über die Ein-
geborenen der afrikanischen Schutzgebiete dem Reichskanzler
übertragen. Auf den Marschallinseln besass er die gleiche Befug-
nis schon durch die Verordnung vom 26. Febr. 1890, weiterhin
verleiht ihm 8 15 Schutzgebiets@& in beschränktem Umfang
das Recht zum Erlass materieller Strafbestimmungen in allen
Schutzgebieten®. Für Kiautschou ist durch 8 1 der Verordnung
über die Rechtsverhältnisse und die Ausübung der Gerichtsbar-
keit (Zentralbl. des Reichsmarineamtes von 1898 S. 285) das
Verordnungsrecht in Ansehung der gesamten Rechtsbeziehungen
der Chinesen dem Gouverneur übertragen.
In Neuguinea war das Verordnungsrecht der Neuguinea-
kompagnie übertragen. Mit dem Uebergang der Landeshoheit
an das Reich ist diese Delegation gemäss $& 1 der Allerh. Ver-
ordnung betr. die Uebernahme der Landeshoheit vom 27. März
58 15 Abs. 2: Der Reichskanzler ist befugt, für die Schutzgebiete oder
für die einzelnen Teile derselben polizeiliche und sonstige die Verwaltung
betreffende Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben
Gefängnis bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner
Gegenstände anzudrohen,