— 46 —
wird bei Benennung der Zeugen nur darauf gesehen, eine mög-
lichst grosse Zahl beizubringen, ohne Rücksicht darauf, ob sie
etwas zur Sache wissen.
Eine Beeidigung der Zeugen findet in keinem Schutzgebiete
statt, obwohl dies in Ostafrika z. B., wenigstens was den muham-
medanischen Teil der Bevölkerung anlangt, unschwer geschehen
könnte und im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten auch
stets geschieht. Ebensowenig wird eine besondere Beteuerung
der Wahrheit verlangt. (Die Engländer vereidigen die Ein-
geborenen ohne Unterschied, Muhammedaner in der Moschee,
Heiden auf den Fetisch.) Falsche Aussagen vor Gericht werden
jedoch allenthalben bestraft, besonders ausgesprochen ist dies
in $& 4 der zitierten Dienstvorschrift des Gouverneurs von Ka-
merun.
Schwierigkeiten verursacht mangels besonderer Vorschriften
die Behandlung von Strafsachen, an welchen Weisse und Farbige
gemeinschaftlich als Mittäter, Teilnehmer oder Begünstiger be-
teiligt sind. Denn einesteils darf weder der Weisse seinen
ordentlichen Richtern entzogen werden, noch ist gegen die Far-
bigen die Zuständigkeit des Schutzgebietsgerichtes begründet,
andernteils wäre es im höchsten Grade unzweckmässig, denselben
Strafprozess zweimal vor zwei verschiedenen Gerichten durchzu-
führen. Die Praxis zieht in diesem Falle den Farbigen vor das
Gericht des Europäers, gesetzlich geregelt ist die Frage in diesem
Sinne jedoch nur in Kiautschou (8 2 der zitierten Verordnung)
und Samoa (s. oben Anmerkung 3).
Für die afrikanischen Schutzgebiete ist in Berücksichtigung
der besonderen Verhältnisse — ausgedehntes, nicht kolonisiertes
Hinterland mit einer grossenteils noch nicht pazifizierten Be-
völkerung — ein eigenes summarisches Strafverfahren für Fälle
des Aufruhrs, Ueberfalles oder sonstigen Notstandes, insbesondere
bei auf dem Marsch befindlichen Expeditionen vorgesehen. Es
ist in solchen Fällen nach mündlicher Verhandlung unter Zu-