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Das Verwaltungsgericht hat nach der schon erwähnten Begriffsbestim-
mung „die vom öffentlichen Recht verliehenen subjektiven Rechte zu schützen“
(S. 13). Nun kommt 8.97 das wichtige Rechtsinstitut der Rechtsbeschwerde
(Anfechtungsklage) gemäss Art. 13 des Gesetzes über die Verwaltungsrechts-
pflege. Sie setzt voraus eine Rechtsverletzung. „Verletzt muss also sein ein
wirkliches Recht im Gegensatz zu blossen Interessen, ein subjektives Recht,
ein Individualrecht, im Gegensatz zu objektiven Rechtssätzen; im übrigen
kann das verletzte Recht ein öffentliches Recht oder ein Privatrecht sein“
(S. 98). Insbesondere wird auf solche Art das Eigentum geschützt, z.B. in
dem Falle, dass der Eigentümer „von der Baupolizeibehörde in Widerspruch
mit der Bauordnung am Bauen verhindert wird“. — Das stimmt offenbar nicht
zu jener Begrifisbestimmung. Das Eigentum ist doch kein „vom öffentlichen
Rechte verliehenes subjektives Recht“, sondern ein „vom Privatrecht an-
erkanntes subjektives Recht“. Also wäre dem „allgemeinen Begriffe“ gemäss
(S. 13) vielmehr Ziviljustiz am Platze, wenn es geschützt werden soll.
Es kommt aber noch schlimmer. S. 170 ist die Rede von den sog.
Grundrechten oder Freiheitsrechten. Verf. neigt eher der Meinung zu, dass
das keine eigentlichen Rechte sind. Der Schutz des Art. 13 kommt ihnen
gleichwohl zu gute. Denn dieser gewährt die Rechtsbeschwerde ausdrücklich
nicht bloss dem, der „in einem ihm zustehenden Recht verletzt“, sondern
auch dem, der „mit einer ihm nicht obliegenden Verbindlichkeit belastet
worden“ ist (S. 171). Jawohl, das ist richtig; aber die Begriffsbestimmungen
der Verwaltungsgerichtsbarkeit S. 13, der Rechtsbeschwerde 8. 98, die passen
jetzt alle beide nicht mehr. Darum darf es der Verf. auch so ruhig dahin
gestellt sein lassen, ob wirklich ein zu schützendes subjektives Recht vor-
liegt oder nicht; die Rechtsbeschwerde kann auch ohne das begründet sein.
Ein Beispiel gibt insbesondere noch die Gewerbepolizei, vgl. S. 196 und S. 216.
Folgerichtig musste Verf. ein Recht Baumwolle zu spinnen, ein Recht nichts
zu zahlen usw. behaupten. Er hat wohl daran getan, darauf zu verzichten.
Wozu aber dann der allgemeine Begriff?
Ich muss ausdrücklich hervorheben, dass der Wert der Untersuchungen
des Verf. durch diese Dinge nicht beeinträchtigt wird. Es ist äusserlich
angeklebtes Beiwerk, ein Kompliment, das der Praktiker der Theorie
machen zu sollen glaubt, mit dem es aber, wie wir sehen, gar nicht so
erustlich gemeint ist.
Bezüglich der Scheidung von bürgerlichem und öffentlichem Rechte
bei Beurteilung vermögensrechtlicher Ansprüche entwickelt der Verf. von
vornherein sehr klare und feste Grundsätze (S. 12). Nicht einverstanden bin
ich mit seiner Bewertung des Umstandes, dass die Zivilgerichte zuständig
sind. Das ist meines Erachtens in weitem Masse in Deutschland der Fall
auch für Ööffentlichrechtliche Ansprüche. In Württemberg verhältnismässig
weniger. Aber die Folgerung, dass das Verhältnis der Post- und Telegraplıen-
verwaltung zum Publikum ein zivilrechtliches sei, weil die Zivilgerichte zu-
Archiv fur öffentliches Recht. XIX. 4. 39