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sich unser europäisch geschultes Rechtsgefühl dagegen sträubt,
nicht zu entbehren. Zur Ausnützung der Schätze des Bodens
sind die Arbeitskräfte der farbigen Bevölkerung unentbehrlich,
und bedauerlicherweise ist die Trägheit derselben, ihre Neigung
mitten unter der Arbeit zu entlaufen, wenn nicht gerade der
Hunger, die einzige Macht, der sie sich beugen, sie zwingt, sich
ihr Brot zu verdienen, eine derart starke, dass ohne Zwangs-
und Zuchtmittel gegen den farbigen Arbeiter jede Bodenkultur
im Schutzgebiete unmöglich wäre.
Es unterliegt allerdings begründetem Zweifel, ob die Aus-
übung der Disziplinarbefugnis durch den Bezirksamtmann zweck-
entsprechend ist. Uebereinstimmend sind alle, welche Gelegen-
heit hatten, den Charakter der schwarzen Rasse zu studieren,
der Ansicht, dass eine Strafe dem Neger gegenüber nur wirkt,
wenn sie der Tat auf dem Fusse folgt, jedoch nach Tagen oder
gar Wochen nachfolgende Bestrafung nur als Ungerechtigkeit
empfunden wird, weil die Erinnerung an die Tat dem kurzen
Gedächtnis des Negers längst entschwunden ist. Auf der andern
Seite ist aber der Pflanzer, der manchmal eine Tagereise und
noch weiter von der Station wohnt, gar nicht im stande, den
Schuldigen sofort dem Beamten vorzuführen, einfach weil er die
Arbeitskraft zweier Leute — des Delinquenten und eines Be-
gleiters — nicht auf geraume Zeit entbehren kann.
Nun wäre ja die Uebertragung eines mässigen Züchtigungs-
rechtes auf den Dienstherrn durchaus kein Novum, bestand es
doch auch in Deutschland in den meisten Bundesstaaten bis zum
Jahre 1900.
In Verfolg dieses Gedankens bestimmt ein Gouvernements-
befehl des Gouverneurs von Deutsch-Östafrika (No. 31 vom
l. Juni 1896):
„Durch die neu erlassene Verfügung des Reichskanzlers
vom 22. April 1896 hat dem nach bisheriger Uebung dem
Dienstherrn Eingeborenen gegenüber zustehenden mässigen