Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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Verschiedenheit der einzelnen Stämme in Kultur und Sitte, ich 
glaube, dass diese Schwierigkeit verhältnismässig leicht überwunden 
werden könnte, sondern vor allem in der Vereinigung theoretisch- 
wissenschaftlicher Postulate, mit den sich in den Kolonien weit 
vordringlicher als im Mutterland geltend machenden Forderungen 
der Praxis und der Politik. Gerade der strafrechtliche Zweig 
der kolonialen Rechtspflege ist eine im eminenten Sinne politische 
Aufgabe des kolonisierenden Volkes, es gilt hier klug zu ver- 
mitteln zwischen dem Streben, europäische Anschauung von Sitte 
und Moral der Bevölkerung einzupflanzen, Recht, Ruhe und 
Ordnung im Lande zu erhalten auf der einen Seite — ander- 
seits der unabweisbaren Forderung, allezeit auf die tatsächlichen 
Machtverhältnisse Bedacht zu nehmen, und in weiser Schonung 
dessen, was den Eingeborenen recht und heilig ist, sie unter die 
deutsche Herrschaft nicht zu zwingen, sondern für dieselbe zu 
gewinnen®®, Dies führt unmittelbar dazu, ein Postulat, welches 
uns für die heimischen Verhältnisse selbstverständlich erscheint, 
als schlechterdings unbrauchbar für die Kolonien (wenigstens den 
Eingeborenen gegenüber) von der Hand zu weisen: die Trennung 
der Justiz von der Verwaltung“. 
  
  
®°® In der Aeusserung des Landeshauptmanns von Togo zu dem er- 
wähnten Entwurf des Kolonialrates heisst es wörtlich: „Es kommt hinzu, 
dass auch die Uebung der Gerechtigkeit in kolonialen Verhältnissen leider 
nicht immer allein ausschlaggebend sein kann, der Zustand, dass politische 
Erwägungen gelegentlich dazu nötigen, mit ungleichem Masse zu messen, 
und dass der Kolonialbeamte im Innern zuweilen in die Lage kommt, im 
Interesse einer gesunden Entwicklung seines Bezirkes ein Auge zuzudrücken, 
wird sich noch auf längere Zeit nicht beseitigen lassen. So würde es sich 
z. B. unter Umständen nicht empfehlen, einen Häuptling, der seine zuchtlose 
Dorfbewohnerschaft gut im Zaume hält, aber vielleicht einige Menschenleben 
auf dem Gewissen hat, ohne weiteres hinzurichten und damit das Dorf oder 
die Landschaft der Unordnung preiszugeben. Ebenso unzweckmässig könnte 
es unter Umständen sein, einen Häuptling wegen eines Aktes schwerer 
Körperverletzung längere Zeit an die Kette zu legen.“ 
% Uebereinstimmend KÖsBner, Die Organisation der Rechtspflege in 
den Kolonien S.6 ff. Ebenso die Aeusserung des kaiserlichen Bezirksrichters
	        
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