Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

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der Kolonialbeamten fast allseitig auf den entschiedensten Wider- 
spruch. 
Soweit dieser Widerspruch sich darauf beschränkt, dass die 
Kolonialbeamten überhaupt eine Einengung durch Gesetze per- 
horreszieren und es vorziehen, nach allgemeinem Rechtsgefühl zu 
entscheiden, ist derselbe ohne weiteres zurückzuweisen. Es wurde 
schon eingangs darauf hingewiesen, dass kein Zweig unserer 
Rechtspflege so sehr wie das Strafrecht geeignet erscheint, die 
Bevölkerung zu erziehen, europäische Kultur zu verbreiten. Aber 
dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die Rechtsprechung 
eine gewisse Stetigkeit aufweist, die unabhängig von den Leiden- 
schaften, den persönlichen Anschauungen über gut und böse und 
dem oft durchaus nicht über allen Zweifeln erhabenen Rechts- 
gefühl der juristisch nicht vorgebildeten Beamten der Bevölke- 
rung feste, unverrückbare Normen setzt®®. Man hat im Ausschuss 
darauf hingewiesen, dass alle Verhältnisse noch in so ständiger 
Fluktuation seien, dass eine Regelung zum mindesten verfrüht 
sei. Gewiss nicht! Gerade in dem Schwanken und Wechseln 
der Meinungen soll die staatliche Norm der Damm sein, der der 
Bewegung Richtung und Ziel weist; natürlich werden wir nicht 
jetzt schon dort ein Strafgesetzbuch mit detaillierten juristischen 
Definitionen schaffen, der Beamte könnte nichts damit anfangen; 
wir werden auch nicht festgewurzelte Gewohnheiten mit Feuer 
und Schwert ausrotten, das hiesse jede kolonisatorische Arbeit 
im Keime vernichten. Wohl aber können wir auf die Eingeborenen 
schon jetzt einen sanften Druck ausüben, der, stärker und stärker 
8 Vgl. die Anmerkung 19, ferner noch die Aeusserung des kaiser- 
lichen Bezirksrichters zu Duala vom 15. Juli 1901 (Drucksachen des Kolonial- 
rates Per. VI No. 2): „Der gegenwärtige Rechtszustand krankt vor allem 
daran, dass die Rechtsprechung fast vollständig dem Ermessen des betreffenden 
Beamten überlassen ist und daher ganz von dessen persönlichen Anschauungen 
über gut und böse abhängt... der Mangel einer gleichmässigen, steten 
Rechtsprechung ist aber das grösste Hindernis für das Eindringen unserer 
Rechtsanschauungen bei den Eingeborenen.“
	        
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