werdend, allmählich zwar, doch unwiderstehlich zum eisernen
Zwang sich fortentwickelt. Freilich, manche Tat, die nach
unserem Rechtsgefühl die strengste Ahndung heischt, mag heute
noch durch Vermahnungen, durch Geldbussen und milde Strafen
bekämpft werden, bis unter dem Einfluss von Schule und Mission
das Gefühl der Strafbarkeit und Verantwortlichkeit sich voll ent-
wickelt hat. Aber das kann kein Grund sein, nicht jetzt schon
die Gebote und Verbote des Staatswillens unzweideutig festzu-
legen.
Wenn ich also die Momente für die Schaffung eines Ein-
geborenenstrafrechtes in jeder Kolonie bereits im Augenblick ihrer
Besetzung für gegeben halten möchte, so lässt sich nicht mit
gleicher Bestimmtheit die Frage entscheiden, ob es möglich ist,
für alle Kolonien ohne Rücksicht auf Religion und Bildungsgrad
der Bevölkerung ein Strafgesetzbuch mit übereinstimmenden Nor-
men zu schaffen. Die englische Praxis verneint bekanntlich diese
Frage, sie behandelt grundsätzlich den Eingeborenen auch in
Strafsachen „according to his civilization and law“. Da wo Ein-
geborenenstrafgesetzbücher geschaffen wurden, wie für Natal, die
verschiedenen Kasten und Provinzen Indiens, da beanspruchen
dieselben nur engste lokale Bedeutung. Müssen wir daraus die
Lehre ziehen, dass auch in unsern Kolonien eine einheitliche
Strafgesetzgebung für Eingeborene nicht geschaffen werden
kann?
Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich alle strafrecht-
lich interessierenden Handlungen, die von Eingeborenen begangen
werden können, in zwei Klassen teilen:
l. Angriffe gegen allgemein anerkannte Rechtsgüter, deren
wirksamer Schutz Voraussetzung einer geordneten Entwicklung
einer Kolonie ist. Hierher gehören vor allem die Verbrechen
gegen Leib und Leben, gegen das Eigentum, gegen die Staats-
gewalt, die Rechtspflege, den öffentlichen Frieden (die sog. mala
ın se des englischen Rechts).
Archiv für öffentliches Recht. XIX. 1. 6